At First Light – das ist ein Trio von Spitzenformat. Man sollte allerdings ausgeprägtes Interesse an akustischer traditioneller Musik aus Irland und speziell an den Uilleann Pipes mitbringen, um dieses Album zu genießen. Der Gruppenname At First Light geht auf ein CD-Projekt von 2001 zurück, aus dem die Band entstand. Die jetzige Besetzung ist seit dem Album Tripswitch von 2006 zusammen. Man hat sich also nicht gehetzt, um ein neues Produkt herauszubringen, sondern es in Ruhe reifen lassen. Entsprechend durchdacht und ausgewogen ist das Ergebnis.
Idir bedeutet auf Gälisch ‚dazwischen’. Zwischen Tradition und Moderne, irischer und internationaler Kultur. Vielleicht auch zwischen den früheren Fronten, da das Album in Belfast aufgenommen wurde. John McSherry (Uillean Pipes, Whistles) Donal O’Connor (Fiddle, Keyboard) sowie Francis McIlduff (noch mal Pipes und Whistles, dazu Percussion) besitzen hochrangige instrumentaltechnische Fertigkeiten. Sie haben sich aber bewusst gegen das „immer schneller, immer lauter“ entschieden. Keine rasenden Jig- und Reel-Sets mit bemüht auffälligen Harmonien und Begleitrhythmen.
Die Tunes sind entspannt, Slides aus dem Südwesten, ein paar spanische Melodien, langsame Klageweisen. „ Das Einfache ist das Schwere“ könnte man sagen. Sie nehmen beispielsweise die Melodie eines gälischen Liedes und spielen sie als Slow Air (Máire an Chúil Ór Bhuí). Durch die Phrasierung, kleine Akzente, Ornamente und Variationen wird ein Kunstwerk daraus, aber eins, das zum Nachspielen ermutigt.
Anders als Lunasa, die John McSherry mitgegründet hat, beschränkt sich At First Light nicht auf das Instrumentale. Mit Ciara McCrickard präsentiert man als Gast eine hervorragende junge Sängerin aus Ulster. Sie hat sich intensiv mit dem traditionellen Sean – Nos – Gesang beschäftigt und hebt sich dadurch deutlich von poppig beeinflussten Kolleginnen ab. Ihr Stil passt bestens zu den ausgewählten, sehr ernsthaften Songs. Das zweisprachige Quiet Land of Erin hat das Zeug zu einem zeitlosen Klassiker. Auch ihr Courting is a Pleasure gehört zu den Highlights der CD.
Bei den Arrangements nimmt das Piano eine wichtige Stellung ein. Dies knüpft an die Zeit vor dem Revival mit seinen Gitarren an und rehabilitiert die Rolle des vormals mit Rhythmus-Gehämmer gequälten Instruments im Folk. Donal O’Connor setzt es genial ein. Auch seine Fiddle spielt er so, wie man es sollte – klar und druckvoll, mit Verzierungen und Swing. Leider kommt die Geige etwas zu kurz (wobei ich allerdings parteiisch bin). Gleich vier Gäste sorgen dafür, dass Gitarre und Bouzouki gut vertreten sind: Ruben Bada, Paul McSherry, Michael McCague und Tony Byrne lassen stellenweise Erinnerungen an Planxty aufkommen, halten sich aber stark zurück. Stets ist die Melodie im Vordergrund, was aber nicht heißt, dass Zupfinstrumente oder Flöten nicht wesentliche Beiträge zur Atmosphäre eines Tracks leisten.
Mehrmals werden alte mit selbstgeschriebenen Stücken kombiniert. Die Tunes werden durch die Takt- und Besetzungswechsel nicht langweilig. Es sind einige Ohrwürmer dabei, die man sicherlich öfter in Sessions hören wird. Aus dem Rahmen fällt das Duett der beiden Piper, Roy’s Hands, die ein langsames Klagelied sehr intensiv mit parallelen Melodielinien zelebrieren. Sicher nicht jedermanns Sache, aber stark.
Was Marketing und Fan-Pflege angeht, sind At First Light auf der Höhe der Zeit. Mit dem Album bekommt man ein Passwort, das Zugriff auf ein deluxe-Booklet, eine live – EP u.a.m. bietet. Ein vernünftiges Beiheft, dass man nicht erst ausdrucken muss, hätte ich dem sparsamen Einleger vorgezogen.
Wenn mich die Gerüchteküche nicht täuscht, haben wir die Chance, die Gruppe 2012 in Deutschland zu sehen. Eine solche Gelegenheit sollte man in jedem Fall nutzen, das zeigen die Live-Aufnahmen.
Trackliste
01. The Magnificent Six
02. Ar Thóir an Donn
03. Aird Uí Chuain (The Quiet Land of Erin)
04. Máire an Chúil Ór Bhuí
05. Bethan’s Dance
06. Rolling in Rosemount
07. Courting is a Pleasure
08. El Garrotín
09. Roy’s Hands
10. The Pipers of Roguery
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