Es ist ja nicht grade die Regel, dass eine legendäre britische Folk-Punk-Band für ihre Reunion-Tour einen deutschen Musiker an Bord holt. Wer ist der Mann am Akkordeon, der kürzlich mit den Whisky Priests aufgetreten ist?
Hallo Ralf, du hast ja schon länger Verbindungen zur englischen Folkszene. Wie kamen die zustande?
Die Verbindungen zur englischen Szene sind wirklich sehr alt. Ich fand die englische Musik immer etwas spannender als die irische und schottische. Es begann 1984 im Club der Copper Family in Peacehaven. Da habe ich Peter Bellamy getroffen und anschließend seine Tour organisiert. Es folgten Touren für Martin Carthy mit Dave Swarbrick, June Tabor, Pyewackett und vielen anderen.
Auch meine Musik war dementsprechend beeinflusst, was man auf der CD Hole in One und der Trio-CD Green Break hören kann.
Welche Verbindung hast du zu den Whisky Priests? Was gefällt dir an ihnen besonders?
Das muss man auf zwei Ebenen sehen. Für die Musik aus dem Nordosten und Northumberland hatte ich immer eine sehr große Vorliebe. Die High Level Ranters gehörten zu meinen Lieblingsbands. Als dann, es muss 1993 gewesen sein, die Demo-Tapes der Whisky Priests bei mir im Postkasten lagen, war ich natürlich Feuer und Flamme. Sie sangen die Traditionals, die ich in- und auswendig kannte und Gary Millers Songs waren ganz in dieser Tradition verwurzelt.
Die zweite Ebene war die persönliche. Die Band kommt aus dem englischen Bergarbeitermilieu und ich bin in Dorsten im deutschen Bergarbeitermilieu groß geworden. Meine ganze Familie hat im Bergbau gearbeitet und ich habe in einer Zechensiedlung in Dorsten gewohnt. Da kam gleiche eine Seelenverwandtschaft zutage.
Wie kam dein Einstieg als Akkordeonist für die aktuelle Tour zustande?
Das kam tatsächlich sehr überraschend. Gary schrieb mir Mitte Juni, dass Glenn Miller (Garys Zwillingsbruder) die Tour nicht spielen würde. Die Gründe ließ er offen, später wurde klar, dass es unüberwindbare bandinterne und auch zwillingsinterne Differenzen gab.
Gary und ich hatten 2005 die CD Stand Fast Stand Steady aufgenommen und eine zweiwöchige Tour gespielt. Für ihn war ich die erste Option, Glenns Position zu übernehmen.
Ich hatte gerade eine Schulteroperation hinter mir und musste noch bis Anfang Juni meinen Arm in einer Schlinge tragen. Anschließend musste ich erst mal meine steifen Wurstfinger mit Anfängerübungen in Form bringen und dann die 20 Stücke für die Tour lernen. Das war harte Arbeit, aber sie hat sich gelohnt.
Ich habe die Stücke zu einem Probenvideo eingeübt. Wir hatten dann eine Probe im Proberaum, eine Kostümprobe, die wie ein richtiger Gig organisiert war, und dann gab es die erste Show in Darlington.
Wie lief die Tour? Plaudere doch mal ein bisschen aus dem Nähkästchen.
Die Tour bestand aus neun Auftritten in England, den Niederlanden, Österreich und Deutschland. Sie war musikalisch tatsächlich eine ganz, ganz große Sache. Wir Musiker hatten alle selber schnell den Eindruck, dass die Whisky Priests besser denn je waren. Als das dann auch durchgehend von den Fans bestätigt wurde, war das natürlich ganz großartig. Sie fanden es großartig, dass wir bis auf Bass und Schlagzeug nur mit akustischen Folkinstrumenten spielen.
Es waren ganz viele alte Fans beiden Konzerten. Es gab einige treue Anhänger, die ich sowohl in London, Wien, Dortmund und auch in Hamburg gesehen habe. Wenn die dann bei jedem Gig ein freudestrahlendes Gesicht machen, ist das ein sehr gutes Zeichen.
Der Besuch war auch in Ordnung. Als bekannt wurde, dass Glenn nicht spielte, hatten einige Zuschauer ihre Tickets zurückgegeben. Entweder weil sie eng mit ihm befreundet waren, oder vielleicht glaubten, dass die Whisky Priests ohne ihn nicht funktionieren würden.
Ich bin selber kaum darauf angesprochen worden. Vielmehr bin ich eher darauf angesprochen worden, dass ich sowohl musikalisch als auch in Sachen Bühnenshow eine exzellente Performance geliefert hätte. Das ging dann runter wie Öl.
Wir haben auf der Whisky Priests Official-Facebookseite etliche Videos, die einen Eindruck vermitteln, was wir auf der Bühne abgeliefert haben.
Die Veranstalter waren fast alle glücklich und wollen uns wiederhaben. Das ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen.
Wird man dich auch noch 2019 mit den Whisky Priests live erleben können?
Die Tour war erst einmal ein Testballon. Die eine Frage war, ob es musikalisch hinhaut, die zweite war, ob die Band so menschlich zusammenpasst und die dritte war, ob die Fans und das Publikum uns sehen will. Wie schon erwähnt, waren die Reaktionen so, dass ein Weitermachen auf jeden Fall gewollt ist.
Wir haben auf der Tour die Hits der ersten vier CDs gespielt, weil das die Hoch-Zeit der Whisky Priests war. Auf einer Reunion-Tour wollen die Fans auch keine neuen Stücke hören.
Nun geht es darum, die Zukunft zu planen. Es wird wohl eine neue CD kommen, die konzeptionell an die erfolgreichen Alben wie Nae Gud Lud, Timeless Street, Bloody Well Live oder Power and The Glory anschießen soll.
Wenn die erste Tourmüdigkeit vorbei ist, schauen wir nach Festivals in Europa und auch Agenturen, die für die Band arbeiten wollen.
Es sind ja schon erste Kontakte geknüpft, so spielen wir noch im Dezember mit den Men They Couldn`t Hang in Newcastle im Cluny, das schon ausverkauft ist. Swil Odgers und auch die Manager sind alte Freunde der Band. Sie fanden das Konzert im Londoner Borderline so gut, dass sie die Whisky Priests auch wieder unterstützen wollen.
Es gab auch einige Festival-Organisatoren bei den Gigs, die ihr Interesse angekündigt haben.
Ich hoffe, dass wir auch in Deutschland auf einige Festivals kommen. Die Band hat es seit 14 Jahren nicht gegeben. In der Zeit ist eine ganze Generation an neuen Fans des Folkpunks herangewachsen, die die Band kaum oder gar nicht kennen. Das würden wir gerne ändern.
Es wird aber nicht so sein, dass wir pausenlos touren werden. Es geht um Festivals und kleine Touren in Deutschland und anderen Ländern mit vielleicht fünf oder sechs Shows.
Ich arbeite selber an einer CD mit deutschen Volksliedern, die ich mit Reggae, Hip-Hop etc. vertont habe. Da gibt es bald eine CD und ich denke auch daran, die Stücke akustisch auf die Bühne zu bringen. Zudem habe ich mir ein kleines Musikstudio zugelegt, das ich nun vorantreiben muss. Nicht zu vergessen sind meine Gigs mit Crashandoh.
Die meisten der sieben Musiker haben alle eigene Sachen oder sind sogar berufstätig. Eine Band auf Tour mit sieben Musikern kann zwar schnell bekannt und berühmt werden, aber reich sicher nicht.
Fotos: live in Hamburg 2018, Frank Kruse