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Cara ~ Long Distance Love (2010)

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Cara stehen in Deutschland ziemlich alleine da, was ihre Fortentwicklung akustischer keltischer Musik auf internationalem Niveau angeht. Mit mehreren Tourneen und großen Festivalauftritten sind sie in den USA sehr erfolgreich. Ihr erstes Album Colours erschien 2004, live hat die Gruppe mich mehrfach durch unglaubliches Können und Engagement begeistert. Die Nachricht, dass zwei der fünf Gründungsmitglieder ausgeschieden waren, machte mich daher skeptisch. Mit dem neuen Album Long Distance Love zeigen Cara aber, dass sie interessante neue Seiten dazu gewonnen haben.

Gudrun Walther (Gesang, Geige diat. Akkordeon), Jürgen Treyz (Gitarre und vieles mehr) und Rolf Wagels (Bodhran) haben sich die Suche sicher nicht leicht gemacht, aber mit den beiden neuen Mitgliedern Ryan Murphy aus Irland und Jeana Leslie aus Schottland adäquaten Ersatz gefunden. Ryan Murphy ist siebenfacher All Ireland-Champion an den Pipes, Jeana Leslie singt, spielt Fiddle und Klavier, und das alles absolut überzeugend. Jetzt sind Cara wahrhaft international und pan-keltisch.

Die guten Seiten der Band sind alle noch da: Gudrun Walthers starke Balladen von starken Frauen, die mitreißenden Tune-Sets und die musikalischen Ausflüge ins keltische Grenzland. Long Distance Love bezieht sich nicht nur auf die Fernbeziehung der beteiligten Bandmitglieder, sondern auch auf die verschiedenen keltischen Regionen von der Bretagne bis zu den Orkneys, die Inspiration geliefert haben. Cara waren vorher eine über Jahre zusammen gewachsene Gruppe, aber die neue Besetzung ist schon bestens aufeinander eingespielt. Es hätte auch wie gecastet klingen können, aber der zweistimmige Gesang der beiden Frauen, die beiden Fiddles in unterschiedlichen Stilen und die sehr flüssig und rasant gespielten Pipes und Flöten fügen sich erstaunlich gut zusammen.

Alle fünf Mitglieder haben sich kreativ betätigt, einige Jigs und Reels werden wohl ihren Weg in die Session-Szene finden. Die Songs, teils alt, teils neu, teils kombiniert, sind allesamt ungewöhnliches, geschickt ausgewähltes Material. Los geht es mit einem kraftvollen Riff und Mary Read, einer Ballade, die Gudrun nach einer wahren Begebenheiten über zwei Piratinnen geschrieben hat. Torn Screen Door stammt von einem in Kanada lebenden Schotten, Rain aus dem Soundtrack der TV-Serie Bones klingt ungewohnt poppig. Eine nordirische Liedermacherin hat das wunderschöne Ardkeen verfasst, Owensboro ist ein Traditional aus Kentucky. Oft gibt es einen eingängigen Refrain, der das Lied im Gedächtnis verankert. Alle Songs erzählen Geschichten und beschwören Stimmungen, die mit ausgefeilten und eigenwilligen Arrangements starke Wirkung entfalten. Neben dem Basis-Instrumentarium sorgen Klavier und Dobro für Akzente, ebenso zwei Gäste, die Schlagzeug und Bass beisteuern. Ein weiteres Markenzeichen sind die Zwischen-Melodien, die spannungsreiche Übergänge schaffen. Instrumental lieben Cara die ungewöhnlichen rhythmischen und harmonischen Wendungen, „Blue notes“ auf den Pipes hört man nicht so oft. Bei Dochno kommt auch mal die meisterhaft gespielte Gitarre in den Vordergrund. Mit der Aufgeschlossenheit für amerikanische Einflüsse rufen Cara möglicherweise bei manchen  Puristen Kopfschütteln hervor. Insgesamt ist die Wirkung dieser transatlantischen Mischung recht intensiv. Man darf gespannt sein, wie sich die Fünf im Oktober auf ihrer Deutschland-Tournee präsentieren und wie sie die Genre-Grenzen in Zukunft weiter verschieben werden.

Zu der sorgfältigen Eigen-Produktion mit bestem Sound passt das zweisprachige Booklet. Es gibt Texte und Entstehungsgeschichte(n), für die Tunes wird minutiös aufgelistet, wo sie herkommen und wer wo welches Instrument spielt. Vorbildlich.

Trackliste

  1. Mary Read
  2. Inishturk
  3. Brewer Lad
  4. Dochno
  5. Ardkeen
  6. Mysterious Images
  7. Rain
  8. Five Shots Of Happiness
  9. Sweet William’s Ghost
  10. The Arm In The Cow
  11. Torn Screen Door
  12. Owensboro
  13. The Loon And His Quine


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