Wenn man länger von zu Hause fort war, sieht man das Vertraute bei der Rückkehr mit ganz anderen Augen. Manches lernt man erst zu schätzen, wenn man es unterwegs nicht hatte. So ging es auch der irischen Sängerin Cathy Jordan, die bereits 1991 bei der Gruppe Dervish einstieg und international erfolgreich war. Auf ihrem ersten Soloalbum zieht sie eine Art persönliche Bilanz: „Ich habe Jahre damit zugebracht, von zu Hause fortzulaufen auf der Suche nach etwas, was ich eigentlich die ganze Zeit vor der Nase hatte.“ Die Familie – sie war die jüngste von sieben Kindern und wuchs auf einer Farm auf – spielt für sie eine große Rolle. Bei allen geselligen Gelegenheiten wurde gesungen. Cathy Jordan interpretiert auf „All the Way Home“ traditionelle Lieder, die sie von Eltern und Verwandten oft gehört hat.
Wer jetzt keltisch-nostalgische Gemütlichkeit erwartet, wird enttäuscht. Trotz des traditionellen Materials unterläuft das Album bewusst Erwartungen an vertraute Klänge. Produziert wurde es nämlich in Schweden, von Multiinstrumentalist Roger Tallroth mit einem dutzend hochkarätiger Gastmusiker. Es hätte wenig Zweck, einzelne Namen herauszuheben, weil sich alle stark im Hintergrund halten. Die Arrangements haben viele klassische Elemente, sind aufs Raffinierteste durchkomponiert und kontrastieren meistens mit den Gesangslinien, so dass sich Verfremdungseffekte ergeben. Zum Einsatz kommen neben vielen Saiteninstrumenten auch Concertina, Pipes, Lapsteel oder Tuba. Alles ist darauf ausgerichtet, den Gesang auf unterschiedliche Weise wirkungsvoll zu umrahmen. Gelegentlich wirkt das ziemlich verkopft und unentschlossen, etwa bei Eileen McMahon. Bei Sliabh Gallion Braes, das von den Pächtervertreibungen vor 150 Jahren handelt, sieht Jordan Parallelen zur Situation der gegenwärtigen Opfer der Immobilienblase in Irland, die nun von den Banken aus ihren Häusern vertrieben werden. Die eindringliche Klage wird von Gesang und Instrumenten immer weiter gesteigert. Ould Ballymoe dagegen, ein humorvolles Partystückchen über den Flirt eines jungen Mannes mit einer sechsfachen Mutter, wird verschmitzt als Partystückchen vorgetragen und erinnert an populäre Salonmusik aus der Zeit vor dem Siegeszug des Radios. Am „irischsten“ klingen ausgerechnet die eigenen Songs All the Way Home und The Road I Go, das ob seiner Eingängigkeit sicher schon von einer Menge Leute nachgesungen wird.
Cathy Jordan verfügt über eine sehr klare, warme Stimme, die sie in beindruckender Manier einsetzt. Sie singt und schreibt nicht nur Lieder. Mit The River Field Waltz hat sie einen wunderbaren Walzer komponiert, der ebenfalls Verbreitung finden wird. Auch das andere Instrumentalstück, Roger Tallroths hymnischer Jordan Jig kehrt den irischen Hintergrund des Projekts hervor.
Jordan singt sehr gradlinig, es gibt wenige, aber effektive Melodieverzierungen oder Varianten, wie sie etwa in der Sean Nos –Tradition üblich sind. Trotz leichter amerikanischer Anklänge bei den eigenen Songs widersteht sie der Versuchung, sich wie die eine oder andere Kollegin dem Mainstream anzubiedern. Das Keyboard glänzt durch Abwesenheit, hier wabert nichts zu ätherischen Wohlklängen. Die Scheibe ist insgesamt sehr ruhig und komplett akustisch instrumentiert. Nein, das rockt nicht, ist aber stimmig und erschließt immer neue Entdeckungen beim mehrfachen Hören. Hier stecken Monate, wenn nicht Jahre sorgfältiger Arbeit drin. Ein Album für Leute die eine wirklich schöne Frauenstimme mögen und nicht nur bereits Bekanntes hören wollen. Alle Texte sind auf der Homepage nachzulesen.
Trackliste
- The Bold Fenian Men
- Eileen McMahon
- The Road I Go
- The River Field Waltz
- In Curraghroe
- Sliabh Gallion Braes
- The Banks Of The Foyle
- The Jordan Jig
- Ould Ballymoe
- The Lark In The Clear Air
- All The Way Home
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