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Dusty Rhodes and the River Band ~ First You Live (2008)

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Cover Dusty Rhodes - First You LiveSie seien so schwer so klassifizieren, wird oft geklagt. Sie seien zwar richtig gut, aber was sind sie denn nun ? – Schreiberlinge rund um den Globus sind oft verzweifelt, wenn es um die Einordnung der Dusty Rhodes and the River Band geht. Die sechs Musiker aus Anaheim, Kalifornien, geben gerne Rätsel auf. Nur um sie dann ungelöst im Raum stehen zu lassen, und sie voll und ganz auszukosten.


Das große Rätselraten beginnt schon beim Cover dieses spannenden Albums: Was soll die Anordnung der Bandmitglieder auf der Vorderseite der CD-Hülle und was machen sie da eigentlich? Sich gegenseitig mit futuristischen Waffen, die irgendwann in den Siebzigern erfunden wurden, abmurksen, während gleichzeitig zwei Ufos Mitmusiker auf Pferden zu entführen gedenken? Egal. Es ist einfach ein stilsicherer Mix zwischen Western- und Science-Fiction Träumerei, wie sie in amerikanischen Filmen des letzten Jahrhunderts gerne aufzutreten pflegten. Jene Träumereien, die in dem Zeitalter begannen, in dem Mama und Papa noch klein waren und die auch noch fortgeführt wurden, als man selber noch Milch bevorzugte. Einfach unheimlich Retro.

Kaum zu glauben, dass dieser Mix so gut funktioniert. Aber keine Frage, auch musikalisch wissen die Jungs und Mädels mit den Frisuren, die irgendwo zwischen Hippie, Naturlook und der durchschnittlichen Männermähne der frühen Achtziger liegen, genau was sie tun. Mit einer geradezu ansteckenden Leidenschaft gehen sie voll in ihrer Musik auf – man sieht es auf den Videos ihrer Myspace-Seite, man hört es.

Nun zur Einordnung des Stils : Wenn man auch nicht genau sagen kann, was es ist, so kann man doch sagen, was es nicht ist: Celtic Rock in seiner reinsten Form. Die Dusty Rhodes orientieren sich vor allem an den eigenen Wurzeln. Und im südlicheren Amerika sind dies nun mal eher Gospel, Blues und Bluegrass; gewissermaßen Folk auf amerikanisch. Das Ganze wird kombiniert mit Rock der Sechziger und Siebziger, der erstaunlich authentisch klingt. Das könnte tatsächlich an der analogen Aufnahme-Technik liegen – aber sicher nicht ausschließlich. Und was für Songs bietet das retrofuturistische Album?

Nach einem ruhigen, von der Violine geprägten Intro, beginnt die Reise durch die Welt der Dusty Rhodes mit dem bewegenden „First You Live“. Im Großen und Ganzen dreht es sich um die Weisheit, dass einem nichts außer das Leben und der sichere Tod garantiert sind. Mit sehr viel Ruhe hat die Band tragische Szenen um dieses Hauptthema gebastelt. „Leaving Tennesee“ wird vor allem etwas für diejenigen europäischen Hörer sein, die schon Bekanntschaft mit den Südstaaten der USA – also auch der vorherrschenden Mentalität – gemacht haben – der mehrstimmige Gesang der Band ist ansteckend, der Sound astreiner Bluegrass. Und wer noch nie im Süden der USA war wird spätestens nach diesem Lied wissen, wie ernst es einem Menschen sein kann, endlich aus einem bestimmten Bundesstaat herauszukommen.

Ein ganz besonderes Meisterstück ist jedoch „Ghost Trails“, das eine Violinen-Stimme bietet, die unter die Haut geht, einem Text, der sie in Gänsehaut verwandelt; Bridges, welche sie wieder entspannt, und einem Refrain, der gesanglich nicht nur wegen des Pakts mit dem Teufel zu Tränen rühren vermag. In Kombination mit dem geisterhaften Geheule am Ende des Tracks ist es ein Lied, dass über vier Minuten eine wohlige Gänsehaut zu erzeugt, die seinesgleichen sucht. Mit „Dear Honey“ folgt ein Ohrwurm, der nicht nur wegen des Paris-Feelings, das er in den Strophen und der Bridge mit Hilfe des Akkordeons erzeugt, sondern auch wegen des einprägsamen Refrains „Cause I drank away all my money I spent the night on the street…“ Suchtpotential hat. Richtig staubig knistert es im wahrsten Sinne des Wortes bei „Oh Icicle“ – und dazu beschreibt in originaler Westernmanier ein unglücklich Verliebter, wie seine große Liebe ihn verlassen hat – man könnte beinahe Mitleid bekommen, dass der arme Kerl nicht in der Lage ist, sich zu ändern…

Wie aus der Liederwerkstatt von Billy Joel klingt der Song „Strike“ über das Schicksal eines alten Seefahrers – sicherlich eine schöne Ballade, aber eben nicht so fesselnd, wie „Keys to the Truck“. Dieses augenzwinkernde Pseudo-Gospel wird mit einer ansteckenden Kraft und dem typischen Heimorgelsound des letzten Jahrhunderts performed. Ruhiger und klischeehaft wird es in „Then You Pass“ – es erinnert zunächst an den Folk von Johnny Cash und inhaltlich spielt es mit den Western-Stereotypen rund ums Sterben. Lebendiger wird es wieder mit „Street Fighter“ – woran das erinnert? Hier beginnt bei mir das Rätselraten: Es ist so, als ob ich diese Art irgendwo her kenne. Den Heimorgelsound, die schwere, tragische E-Gitarre dahinter, die Violine, die dem ganzen so viel Dramatik verleiht – der Text, der ein bisschen an eine amerikanische Version von „Mit dem Schwert nach Polen, warum René?“ von den Ärzten erinnert. Nur weniger Ironie, mehr Tragik.

Darauf folgt der autogbiographische Walzer über den „Grampa Mac“ des Drummers, der weder Glück mit seinen Frauen, noch sein Temperament unter Kontrolle hatte – eine wahrlich tragische Geschichte. Wie ein Schlaflied beginnt „Goodnight Moonshine“, eine zunächst ruhige Ballade über das Sterben, die das Thema sehr spannend gestaltet – auch um den Tod handelt „The Ballad of Graff“, mit dem das Album beschließt.

Was sind die Dusty Rhodes nun also? Und was ist ihr Album? Ist dem Rätselraten ein Ende gesetzt? Nicht wirklich. Wie gesagt, sie spielen keinen Celtic Rock. Aber eine Art Western Rock mit Retro-Elementen, der durchaus seine Freunde in der Irish Folk Rock Szene finden wird. Weil sie ungewöhnlich vielfältig sind. Weil sie mitreißend begeistern können. Und weil sie auf sympathische Weise authentisch sind. Und weil sie, neben einigen netten Balladen, vor allem umwerfende Ohrwürmer produziern. Ich lobe zu viel? Die Band des stilsicheren Stilmixes hat es verdient!

Tracklist

  1. Intro
  2. First You Live
  3. Leaving Tennessee
  4. Ghost Trails
  5. Dear Honey
  6. Oh Icicle
  7. Strike
  8. Keys to the Truck
  9. Then You Pass
  10. Street Fighter
  11. Grampa Mac
  12. Goodnight, Moonshine
  13. Ballad of Graff

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