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Fairytale of New York

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So ein Weihnachten wünscht man niemand. Erwachen in einer Ausnüchterungszelle, verfolgt von den Gedanken an die ferne Heimat, dann ein heftiger Streit mit der (Ex-?) Partnerin, die im Krankenhaus liegt. Es geht um Emigration, Hoffnungen, Tod, Sehnsucht, Drogen- und Alkoholmissbrauch.

Trotzdem ist Fairytale of New York in Großbritannien einer der beliebtesten Songs zu Weihnachten, vielleicht grade, weil hier die Probleme nicht mit Zuckerguss verkleistert werden. Das Stück von Shane MacGowan und Jem Finer wurde 1987 erstmals veröffentlicht.

Entstehung

Wenn man den interviewten Pogues glaubt, sei von vorneherein das Ziel gewesen, einen richtigen Hit für die Band zu schreiben. Allerdings habe es zwei Jahre und ‚hundert‘ Versionen gebraucht, bis der Song stand.
Fairytale war angeblich zuerst ein Lied von Banjospieler Jem Finer über einen Seemann, der seine Frau vermisst. Seine eigene Frau habe vorgeschlagen, ein Paar auf der Suche nach der richtigen Weihnachtsstimmung in Streit geraten zu lassen – ein nicht ganz weltfremdes Szenario.

Zunächst war die Frauenrolle der Pogues-Bassistin Cait O’Riordan zugedacht, die aber vorher schon die Band verließ. Als ideale Duo-Partnerin erwies sich Kirsty MacColl (Tochter von Folkgröße Ewan MacColl, im Jahr 2000 durch einen Badeunfall ums Leben gekommen).

Shane meinte zwar, der Text habe wenig mit ihm zu tun, er gibt den alkoholisierten Loser aber mal wieder sehr überzeugend. Der Mann „vieler Worte, aber weniger Zähne“ so seine eigene Homepage, schuf mit wenigen Sätzen eine packende Milieustudie. Es klingt trotzdem glaubhaft, dass er zu der Zeit noch nie in den USA gewesen sei.

Der Titel hat mit der Handlung eigentlich nichts zu tun, sondern zitiert einen Roman des irischen Schriftstellers P.J. Dunleavy.

 

Musik

Jem Finer baute einige Wendungen aus traditionellen Volksliedern ein, so dass die Melodie auf Anhieb vertraut klingt. Ein langsamer und ein schneller Dreiertakt wechseln ab. Das Streicherarrangement trug sicher nicht unerheblich zum Erfolg bei. Der Kontrast zwischen der eingängigen Musik und dem bissigen Text macht den Reiz aus.

Text

It was Christmas Eve babe
In the drunk tank
An old man said to me, won’t see another one
And then he sang a song
The Rare Old Mountain Dew
I turned my face away
And dreamed about you

Got on a lucky one
Came in eighteen to one
I’ve got a feeling
This year’s for me and you
So happy Christmas
I love you baby
I can see a better time
When all our dreams come true

They’ve got cars big as bars
They’ve got rivers of gold
But the wind goes right through you
It’s no place for the old
When you first took my hand
On a cold Christmas Eve
You promised me
Broadway was waiting for me

You were handsome
You were pretty
Queen of New York City
When the band finished playing
They howled out for more
Sinatra was swinging,
All the drunks they were singing
We kissed on a corner
Then danced through the night

The boys of the NYPD choir
Were singing „Galway Bay“
And the bells were ringing out
For Christmas day

You’re a bum
You’re a punk
You’re an old slut on junk
Lying there almost dead on a drip in that bed
You scumbag, you maggot
You cheap lousy faggot
Happy Christmas your arse
I pray God it’s our last

I could have been someone
Well so could anyone
You took my dreams from me
When I first found you
I kept them with me babe
I put them with my own
Can’t make it all alone
I’ve built my dreams around you

Der Inhalt, insbesondere die zeitliche Abfolge, wird nicht so völlig klar und entspricht damit dem Geisteszustand des Protagonisten. Fest steht aber, dass wir uns unter irischen Einwanderern in New York befinden.

Der erste der drei Abschnitte beginnt Heiligabend. Der Alte in der Ausnüchterungszelle singt ein bekanntes Loblied auf den irischen Selbstgebrannten, der bekanntlich klar ist wie der Bergtau. Der Singende rechnet damit, dass dies sein letztes Weihnachtsfest ist.

Im zweiten Teil erinnert sich das Paar gemeinsam an Hoffnungen und Träume, die sich in Nichts aufgelöst haben wie der heiße Tipp beim Pferderennen. Die Zeit der Ankunft in Amerika könnte in die Aufbruchstimmung der Nachkriegsjahre gefallen sein, als man zu Big Bands und Frank Sinatra tanzte. Vielleicht waren es aber auch die Achtziger.
Von der Euphorie und den durchtanzten Nächten ist jedenfalls nicht viel geblieben.

Der erwähnte Polizeichor singt ein sentimentales Auswanderlied und erinnert so an die Landsleute, die es „geschafft“ haben. Bei der Polizei in New York oder Chicago waren traditionell viele Iren angestellt. (Die New Yorker Polizei hat dem Vernehmen nach gar keinen Chor  – aber spielt das eine Rolle?)
Von den beiden existierenden Songs über die Galway Bay ist wahrscheinlich der jüngere gemeint, 1947 geschrieben und von Bing „White Christmas“ Crosby populär gemacht.

Der dritte Teil spielt am Krankenbett, wo sie am Tropf hängt. Beide sind desillusioniert und wissen, dass sie es allein nicht schaffen. Vielleicht steigert die Enttäuschung den Zorn. Der Beschimpfungsdialog enthält Ausdrücke, die immer wieder zu Zensurmaßnahmen der BBC führten, wegen Frauen-, Schwulenfeindlichkeit und überhaupt. Aber bei einer Auseinandersetzung zwischen einem Trinker und einer Drogenkonsumentin kann man wohl keine Hochsprache erwarten. Diese Einsicht scheint sich beim Sender allmählich durchzusetzen.

Statt einer Übersetzung möchte ich Wolfgang Niedeckens Version zitieren, der den Streithähnen die Glocken des Kölner Doms in den Ohren klingen lässt:

„Du Versager! Du Flittchen, du verloddert klei‘ Nüttche! Du erbärmlicher Schiffsschaukelbremser, halt’s Maul! Wat heiß he Kniesbüggel? Du fussije Knüsel!! Frohe Weihnacht du Penner, du stinkje Wildsau.

Und der Polizeichor singt vom holden Knab‘ im lockjen Haar…“

(BAP, Weihnachtsnaach)

Aufnahmen

Fairytale schaffte es auf Platz 2 in der britischen Singles-Hitliste. Das Wettrennen um die begehrte Nr.1 zu Weihnachten konnte das Lied aber nicht gewinnen. Es ist enthalten auf dem dritten Pogues-Album If I Should Fall from Grace with God, das ihr kommerziell erfolgreichstes war und 1988 Rang 3 der britischen Charts erreichte.

An live-Aufnahmen ist kein Mangel, so dass man Shane MacGowans Zustand über die Jahre mitverfolgen kann. Er kann übrigens nicht wirklich Klavier spielen.

Top of the Pops, BBC 1987 ,        live St. Patrick’s Day 1988 mit Kirsty MacColl

Top of the Pops, BBC Jan.1992, in Irland live 23.12.2007 mit Sinéad O’Connor.

 

Auch das Video zur Single, bei der Matt Dillon einen Polizisten mimt und die Pipes and Drums der New Yorker Polizei zu sehen sind, ist inzwischen legendär.

Unter anderen haben Christy Moore, Ronan Keating und Amy MacDonald den Song interpretiert. Bei BAP übernahm Nina Hagen in Weihnachtsnaach die Rolle der Duettpartnerin (Amerika, 1996).

So hörte sich der Song im Jahr 25 nach seiner Veröffentlichung an:

Sonstiges

Fairytale of New York hat inzwischen einen solchen Kultstatus, dass es von der BBC nicht nur einen Dokumentarfilm über das Making Of, sondern auch ein Online-Quiz gibt.

Der Guardian würdigt den 25. Geburtstag des Songs 2012 mit einem hervorragenden Artikel über die Entstehung.

Lustig wäre es mitzuverfolgen, ob auch in diesem Jahr eine Debatte über die bösen Wörter mit sl— und fa— entbrennt und in welchen Hitparaden der Song wieder auftaucht.

 

 

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