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Flogging Molly- Ein Interview mit Dennis Casey

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Dass die irisch-US-amerikanische Band Flogging Molly eine extrem spaßige Truppe ist, war bereits nach dem Erscheinen von „Swagger“ (2000) klar. Dass sie auch extrem gute Musiker sind und mit Sänger Dave King einen hervorragenden Songwriter haben, wurde vor allem mit den letzten beiden Alben „Speed of Darkness“ (2011) und „Life is good“ (2017) deutlich, welche eine sehr vielseitige Band widerspiegeln.

Flogging Molly schaffen es immer wieder, ihre Zuhörer zum Lächeln zu bringen, selbst (oder gerade) dann, wenn es eigentlich um ganz traurige Themen geht. Das ist es wohl, was mich seit jeher an irischer Musik begeistert. Es geht um das wahre Leben mit all seinen Licht- und Schattenseiten. Es wird gefeiert, ob lachend oder weinend. Das erlebt man auch, wenn Dave King die Bühne betritt, gefolgt von seiner Ehefrau Bridget (Tin Whistle und Geige), dem ehemaligen Profi-Skateboarder Matt Hensley (Akkordeon), Nathen Maxwell (Bass), Rob Schmidt (Mandoline, Banjo), Mike Alonso (Schlagzeug) und Dennis Casey (E-Gitarre).

Der letztgenannte nahm sich vor dem Flogging Molly Konzert am 08.09.2017 im Osnabrücker „Hyde Park“ die Zeit für ein kurzes Interview. Dass er sich als ein ausgesprochen freundlicher Mensch herausstellte, änderte nichts an meiner Nervosität, die erst im Laufe des Gesprächs ein bisschen abnahm.

Hi! Sag unseren Lesern bitte deinen Namen und welchen Job du bei Flogging Molly hast.

Mein Name ist Dennis Casey und ich spiele die E-Gitarre.

Du sorgst also für den Punk-Anteil…

Ich würde das eher den Lärm nennen…

Das ist ein gutes Stichwort! Es kommt mir so vor, als wären die ersten Flogging Molly Alben energischer und Punk-lastiger, als eure letzten Alben. Auf denen wiederum halten sich Punk und Folk die Waage.

Stimmt!

War das so beabsichtigt oder hat sich das einfach so entwickelt?

Das ist interessant! Wenn du dir erst unsere letzten beiden Alben, und danach „Swagger“ anhörst,wirst du feststellen, dass die Lieder der letzten beiden Alben schneller sind!

Echt?

Swagger“ ist langsamer! Was du vielleicht heraushörst ist die Tatsache, dass wir „Swagger“ an einem Tag, oder vielleicht an zwei Tagen aufgenommen haben. Wir haben schnell gearbeitet und alles an zwei Tagen aufgenommen. Mit Overdubs und Mischen hat das eine Woche gedauert. Danach waren wir 20 Jahre lang ständig auf Tour, dabei sind wir immer besser geworden. Mit fünf machst du Dinge ganz anders als mit fünfundzwanzig, das ist eine ganz natürliche Weiterentwickelung.

Jedenfalls klingen die ersten Alben deutlich rauer!

Ja, die sind rauer, weil wir damals alles schnell gemacht haben. Wir waren eine neue Band, die sichüber die Jahre kontinuierlich verbessert hat.

Habt ihr vorher denn alle in Punk Rock Bands gespielt?

Oh, das kann ich dir gar nicht genau sagen. Bridget wohl eher nicht, sie ist ja Violinistin. Und Robert… er spielt Banjo, haha!

OK, es ist nicht ganz einfach mit einem Banjo Punk Rock zu spielen.

Richtig!

Ich war sehr beeindruckt von dem Song „A prayer for me in silence“. Wird es mehr Lieder mit Bridget am Gesang geben?

Hmmm, wir haben den Song sehr oft live gespielt. Wenn es nach Dave geht, würden wir das bestimmt noch mehr ausbauen. Bridget ist manchmal sehr schüchtern, aber ich denke schon, dass es noch mehr Stücke mit ihr am Gesang geben wird.

Ich hätte noch eine Frage, die Dave und Bridget betrifft. Die beiden haben mal den Dubliners Song „The Mero“ aufgenommen, zusammen mit…

…The Mighty Stef und Ronnie Dew!

Genau! Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Der „mächtige Stef“ ist ein Freund von uns und er lebt in Dublin. Wir sind oft zusammen getourt und er kennt Dave und Bridget sehr gut. Er nahm Kontakt mit Ronnie Dew auf, weil er diesen Song aufnehmen wollte und er fragte Dave und Bridget, ob sie mitmachen wollen.

Ihr seid auch in den Staaten mit Stef unterwegs gewesen…

Sehr oft. Erst er allein, dann ein paar Male mit seiner Band. Hier in Europa kennt man ihn inzwischen als Count Vaseline.

Ist es nicht merkwürdig die ganze Welt zu bereisen und überall auf Menschen und Musiker zu treffen, die sich für die Volksmusik des eigenen Landes nicht interessieren, sondern sich stattdessen wie Iren kleiden, deren Musik spielen und von der IRA und den Black and Tans singen?

Ich will dir sagen, wie ich das sehe. Die Rolling Stones waren eine Band die aus weißen Jungs bestand. Das war eine Londoner Band, die Mississippi Blues spielte und sich mit dieser Musik sehr verbunden fühlte, obwohl das rein gar nichts mit ihrer eigenen Kultur zu tun hatte. Die haben diesen Stil übernommen und ihr eigenes Ding daraus gemacht. Das ist mit jeder Musik möglich, auch mit der irischen.

Ja, das stimmt natürlich. Aber wie authentisch ist es, wenn eine deutsche Band nichts darüber singt, was hier und jetzt im eigenen Land passiert, andererseits aber alte Traditionals spielt, in denen es darum geht, was vor hundert Jahren in Irland los war? Ist das trotzdem Folk, oder werden da nur Klischees bedient, um eine gewisse irische Romantik rüber zu bringen? Es gibt heute ja auch noch genug Ungerechtigkeit, über die es sich zu singen lohnt. Überall!

Absolut! Das machen wir auch. Wir singen über das wahre Leben.

Ja, ihr schon…

Hmmm, nimm mal einen Folk Song wie „Blowing in the Wind“ von Bob Dylon. Der ist noch keine hundert Jahre alt, aber trauriger Weise wird er auch in hundert Jahren noch aktuell sein. Genauso können auch die irischen Traditionals heute noch eine nach wie vor relevante Aussage haben. Du hattest als Beispiel „Come out ye black and tans“ genannt. So wie viele Leute sich gerne alte Filme ansehen, oder sich den History Channel gucken, so hört man auch gerne alte Lieder, weil man da auch heute noch viel draus lernen kann. Ich sehe darin auch kein Problem. Man sollte aber trotzdem die Gegenwart mit einbeziehen. Natürlich ist es unbequemer auf das zu blicken, was gerade jetzt passiert. Viele wollen da lieber nichts von hören.

Was hat euch eigentlich dazu veranlasst ein eigenes Label zu gründen? Gab es Probleme mit eurer ersten Plattenfirma?

Nein, überhaupt nicht. Aber die gesamte Musikindustrie hat sich verändert. Alles ist einem sehr schnellen Wandel unterworfen und es wird immer schwerer von der Musik zu leben. Also haben wir beschlossen ein eigenes Label zu gründen und einige unserer Freunde zu unterstützen. Unser Verhältnis zu Side One Dummy war immer sehr gut, aber wir können jetzt selbst entscheiden, ob wir beispielsweise mit dieser oder jener Promotionfirma zusammenarbeiten können. Vorher haben wir sowas vorgeschlagen und mussten gegebenenfalls damit leben, dass es abgelehnt wurde, weil vielleicht kein Budget dafür vorhanden war. Jetzt treffen wir alle Entscheidungen selbst.

Bitte kommentiere die folgenden Künstlernamen und sag mir, ob die Band wichtig für dich ist, ob du sie überhaupt kennst und so weiter. The Clash.

Ja, die kenne ich…

Haha…

Die werden immer noch sehr unterschätzt. Eine der besten Punk Rock Bands überhaupt.

Eine deutsche Band: Donots.

Es macht Spaß mit denen zu touren. Die waren auf unserer Salty Dog Cruise dabei und wir haben hier Festivals mit denen gespielt. Wie heißt nochmal deren Sänger? Ein sehr charismatischer Typ…

Ingo!

Ingo, ein wundervoller Mensch! Wenn man mit ihm spricht merkt man, dass er sehr speziell ist.

Vielleicht ist er heute hier, er wohnt nicht weit weg.

Das wäre toll…

The Ramones.

Was kann ich über die sagen? Ich bin in meinen 50ern und alt genug um sagen zu können, dass die Ramones nicht als Punk Rock Band bezeichnet wurden, als sie groß rauskamen. Die waren eine Rock n‘ Roll Band. Das war einfach eine grandiose Band mit einem tollen Gitarren Sound und sehr eingängigen Liedern. Mit den Songs haben sie mich voll erwischt, aber sie sahen auch ziemlich cool aus.

The Pogues 1993-1995.

Das waren nicht ihre besten Jahre, haha. Lustig, unser Akkordeonspieler Matt hat gerade „Here comes everybody“ gelesen und er hat es mir zum Lesen angeboten. Ich hab’s aber noch nicht gelesen, sonst hätte ich vielleicht eine bessere Antwort geben können, haha. Ich denke es waren nicht ihre besten Jahre, aber da sind immer noch tolle Sachen dabei. Ich finde es sehr schade was mit Shane MacGowan passiert ist. Ich habe ihn mehrmals gesehen und weiß von Leuten die mit ihm aufgenommen haben, dass es sehr schwierig ist mit ihm zu arbeiten. Er braucht immer bestimmte Drogen um zu funktionieren. Es scheint so, als wäre er eine Parodie seiner selbst geworden. Da sind so viele Leute die ihn nur besoffen und fertig sehen wollen wenn er auftritt.

Ich habe die Pogues vor ein paar Jahren live gesehen. Da gab es tatsächlich Leute die nur darauf gewartet und gehofft haben, dass Shane stolpert, oder am besten komplett von der Bühne fällt. Das war echt traurig und hatte etwas von einer Freak-Show.

Ja, aber andererseits wollen sie, dass er eine gute Performance liefert und gut singt. Man kann nicht alles haben.

OK, eine Frage hab ich noch. Sprichst du deutsch?

Ääääh… sprechen Sie deutsch?

Sehr gut! Was hast du noch drauf?

Nur „duschen“, „Aufwiedersehn“ und „Aussprache“!

Nicht schlecht! Dann bin ich ja mal gespannt, was du nachher deinem deutschen Publikum zu sagen hast.

Haha, Dankeschön! Viel Spaß bei der Show!

Vielen Dank für das Interview!

Wie zu erwarten spielten Flogging Molly im restlos ausverkauften „Hyde Park“ eine grandiose Show, bei welcher der Schweiß von der Decke tropfte. Dabei durften neben neueren Hits wie „John L. Sullivan“, „Speed of Darkness“ oder „Float“ auch die alten Kracher wie „What’s left of the flag“ oder „If I ever leave this world alive“ nicht fehlen. Ein besonderes Highlight war das emotionale und energische Lied „Laura“, welches wohl alles beinhaltet, was diese Band so besonders macht. Dave King machte seinem Ruf als „Rampensau“ alle Ehre, verteilte gut gelaunt Guinness in Dosen und witzelte darüber, dass er für das Bier nach all den Jahren immer noch selbst bezahlen müsse (wer’s glaubt). Man merkt, dass die Band nicht einfach nur einen Job erledigt, sondern einen „Traumjob“ auslebt und genießt. Wer schon einmal in den Genuss eines Flogging Molly Konzertes gekommen ist, der weiß wovon ich hier schreibe. Alle anderen sollten sich die nächste Gelegenheit nicht entgehen lassen.

Das Interview führte Bubblebeat Beppo. Ehemaliger Redakteur bei uns, der nun ab und an hoffentlich wieder mal öfter interessante Leute für uns trifft oder sich anderweitig bemerkbar macht (Anmerkung der Redaktion).

Homepage von Flogging Molly

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