Für ihr viertes Album haben Harmony Glen sich neu erfunden: „Honestly the music of Harmony Glen is not pure Celtic traditional music anymore.“ Was für Musik ist es dann? Auf jeden Fall vielseitige, denn diese Kreativitätsbündel lassen sich in keine Schublade stecken. Das zeigt sich schon in der Kleidung, die Teil der Inszenierung ist. Schwarze Krawatten, Gothic- oder feine Steampunk – Outfits wurden ausprobiert und wieder abgelegt. Wie es weitergeht? Die Suche nach der eigenen Identität läuft nach fünf Jahren Bandgeschichte munter weiter. „We travel where the wind blows and our music travels with us.“
Kern der niederländischen Gruppe sind zwei hochklassige Multi-Instrumentalisten. Sjoerd van Ravenswaaij spielt überwiegend Banjo und Mandoline, dazu Gitarre oder Whistles. Vincent Pompe van Meerdervoort ist meistens am Knopfakkordeon zu hören, greift aber auch zu Blas- und Schlaginstrumenten. Beide singen, aber die Lead Vocals kommen meist von Nienke Bijker mit einem strahlenden Sopran, wie man ihn in der Folk- oder Rockszene selten hört. Dominique Bentvelsen am Kontrabass agiert geschickt eher im Hintergrund, was man von Job Verweijen mit seinen 40 verschiedenen Schlag- und Effektinstrumenten nicht behaupten kann.
Von den 13 Titeln sind sieben Tunesets, in denen sich Traditionelles aus den keltischen Ländern mit eigenen Stücken und weltmusikalischen Einflüssen mischt. Unter fünf Minuten dauern die Tracks nur in Ausnahmefällen, denn es sind eine Menge Ideen unterzubringen. Alle scheinen sich ungern zu langweilen, denn hier wird nichts einfach nachgespielt, und innerhalb desselben Stücks wechseln Tempi, Sounds oder Rhythmen. Trotzdem wäre weniger manchmal mehr gewesen.
Die Gruppe orientiert sich gern an Bildern und Szenerien, die dann in Klangfarben umgesetzt werden. Zum Glück kann man im Booklet nachlesen, worum es grade geht, und bekommt einige schöne Kostproben vom Band-eigenen Humor. Die Dame, die in The Naked Lady in the Swamp dem Nebel im Sumpf entsteigt, wird mit allerlei akustischen Soundeffekten beschworen, bevor die Melodie Fahrt aufnimmt und ein gelilteter (d.h. mit Silben gesungener) Reel ins Tanzbare überleitet. Andere Szenerien sind das Meer um Mitternacht auf einem Segelboot (Midnight on the Water), ein Waldstück mit gefiederten Bäumen oder ein Kirmesplatz. Manchmal reicht eine leichte Verschiebung der Betonung, um eine Melodie nach Südamerika oder dem Vorderen Orient klingen zu lassen.
Eine Ausnahmestellung sichert auch der Einsatz elektronischer Blasinstrumente (EWI), die mit dem Druck der geblasenen Luft zu steuern sind und sehr realistisch nach Klarinette oder Saxophon klingen. Innovativ und effektvoll ist auch der Einsatz eines Hang (eine Art Steeldrum in Wok-Form).
Die Grenze zum Parodistischen wird, etwa bei einer Klezmer-Einlage in Pooshkebab, nicht nur gestreift. Macht aber nichts, mit schnellen Tunes von Banjo oder Akkordeon kriegen Harmony Glen immer wieder die Kurve zu eingängiger, tanzbarer Musik. Die Melodien ändern wie mit Effet gespielte Billiardkugeln gern unerwartet ihre Richtung.
Bei den Songs geht es ähnlich unkonventionell zu: Die Queen of Argyll heißt jetzt Malikah und ist eine arabische Schönheit, die nach Edinburgh auswanderte. Das orientalische Flair löst sich elegant in der schottischen Melodie auf. Die eigenen Songs funktionieren nicht immer so gut, trotz Ernsthaftigkeit bei der Themenwahl. Song of a Child erinnert an gefälligen amerikanischen Folk Pop aus den Siebzigern, auch das Titelstück ist recht glatt geraten. Mit Abstand am besten gefällt mir das schlichteste Stück. The Cup of Life ist selbst verfasst, klingt aber sehr traditionell und feiert das Leben selbst, fein zweistimmig gesungen und mit sparsamer Begleitung unterlegt.
Where the Wind Blows ist eine Momentaufnahme einer Band, die ihren eigenen Stil noch nicht gefunden hat. Durch die großen musikalischen Fertigkeiten eröffnen sich für die Gruppe fast unendliche Möglichkeiten. Vielleicht ist es wie beim Kochen: auch bei guten Zutaten schmeckt nicht gleich jede Kombination. Trotz des unbestrittenen Talents ist da wenig, was mich wirklich berührt. Live mag das ganz anders sein. Die Videos der Band zeigen, dass bei aller Verspieltheit das Publikum mitgenommen wird und man eine unterhaltsame, mitreißende Show erwarten kann.
Trackliste
- The Naked Lady in the Swamp
- Where the Wind Blows
- Midnight on the Water
- The Burning of Auchindoun
- The Feather Grove
- The Cup of Life
- Ghosttrains and Rollercoasters
- In the Fire
- Song of a Child
- Dutch Reelism Suite, Part 1
- The Queen of Argyll
- Pooshkebab
- A Wink and a Blast
Harmony Glen sind am 1. August 2013 beim Opening des Festivals in der Balver Höhle zu hören (zusammen mit Craic).
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