Der obligatorische Blick eines Schreiberlings auf die Auflistung der schuldigen Musiker und der Instrumente, mittels derer sie ihr Werk vollendeten, brachte mich bei dieser Band ganz besonders zum Schmunzeln: Irgendwie scheint bei denen jeder alles gerne zu spielen… na ja, vielleicht nicht ganz.
Denn die sechs Gäste auf dem neuen Album „Kind of Green“, als auch Suzy B. an der Fiddle, sowie MacGable an den Drums (nein, „Beer“ ist nicht spielbar und ein „Nerd“ schon gar nicht – netter Versuch!), bleiben ihrem Instrument treu – und trotzdem scheint noch für genug Rotation unter den anderen Bandmitgliedern gesorgt worden zu sein. Diesen Schein erweckt zumindest das Booklet zu „Kind of Green“.
Die Lemger starten ihr erstes Album nach sieben Jahren gar nicht schwach mit „Weak“ – betrübend ist es, achtet man auf den Text: Wieder wird ein Exempel dafür gegeben, wie niederschlagend Liebeskummer doch sein kann – und gar so weit gehen kann, dass man sich vor lauter Schwäche stark fühlt. Und das ist auch die Aussage des Tempos des Stücks. Von wegen schnulziger Herzschmerz, diese Sache ist dramatisch – das Herz liegt am Boden und die Gitarre beschreibt den Regen, der auf es heruntergießt. Von der Geige erzeugte Blitze schrammeln den Klanghimmel herunter, während der Sänger mit glasklarer und inniger Stimme „All my love got me down to the ground..“ singt. Das ist kein Emo. So erzählt man einfach eine gute Geschichte.
Keine Atempause bleibt, es geht nämlich in gutem Tempo weiter zu „The Emerald Gossip“ – besonders toll finde ich an diesem Text die Wortschöpfung „ to whiskey (up)“ – wieder musste ich schmunzeln. Doch auch musikalisch bietet dieser Song eine lebendigen Klang, besonders von der Fidel dominiert. Auch hinter dem Cover „P stands for Paddy“ steht Druck, und gemütlicher, aber auch merklich melacholischer geht in „London Days“ zu. Nicht der Text verführte mich zu einem weiteren Schmunzeln, sondern das Papier, auf dem er im Booklet abgedruckt ist: Man findet dort nämlich den Namen Oakley Court Windsor in der königlichen Grafschaft zu Berkshire, direkt neben dem County London. Das nenne ich mal ein liebevolles Detail für einen trübseligen Text, der von einer Tour durch London ohne die schmerzlich vermissten Freunde handelt. Das schöne an der Melancholie von in Search of a Rose ist jedoch, dass sie ihr nicht verfallen und man vergeblich auf einen Morgen wartet, sondern man dahinter Kraft sieht.
„Le Beat Celtique“ erinnert mit seiner elektronischen Experimentierfreudigkeit vom Sound her ein wenig an das Album „Nu Folk“ von Fiddler’s Green; balladig-traurig wird es, unterstützt von einem Glockenspiel, in „A Sweet Bitter Goodbye“. Mein absoluter Favorit auf diesem Album ist jedoch „Reily Ramones“ – das ist eine Mischung aus Punkrock, Ska-Elementen und Folk, gewürzt mit einem Refrain auf mexikanisch und verziert mit einer Solo-Trompete, die dem Hörer ein einsames, sandiges Tarantino-Spektakel im Wilden Westen vor das innere Auge zaubert.
Und von der einen Provinz geht es in die Nächste… oder sollte in dem folgenden Lied etwa nicht von Lemgo die Rede sein, wenn es in der ersten Zeile heißt: „We lived our life in a small town but there was an easy way out“? Doch die „Free Polka Jamboree“ bringt die Erlösung, eine Folk-Band belebt doch jedes noch so eingeschlafene Nestchen, wie hier im besten Party-Rap der 80er beschrieben wird. Eher wie die Ramones auf Irish Folk Rock klingt dagegen „Brendan’s Blessing“ (ja, ich dachte auch bisher nicht, dass so eine Soundkombination möglich ist!), gefolgt vom letzten Teil der Rebel-Town Triologie in absolut Radio-tauglichem Rock.
Track 12, der „Shamrock’n’Roll“ handelt von der Unverwüstlichkeit des Rocks und macht einfach gute Laune – doch den nächsten großen Schmunzler brachte erst „I danced with John Travolta“. Jawohl, richtig gelesen: „So I danced with John Travolta / to the Irish Beat and Polka“. Es ist nicht nur die trockene Art, in der der Reim vorgetragen wird, sondern schon die Vorstellung….wie hätte John Travolta wohl zu In Search of a Rose statt Chuck Berry’s „You Never Can Tell“ getwistet? Ganz ruhig beschließt das grüne Album schließlich mit dem rustikal gezupften „Johnny and the Booze“, einer nachdenklichen Geschichte über einen alkoholabhängigen Obdachlosen.
So glatt der Sound von „In Search of a Rose“ zunächst auch erst erscheinen mag, sie haben nicht nur Humor, sondern auch musikalisches Können, kombiniert mit einem phantasievollen und abwechslungsreichen Stil, der für Irish Folk Rock-Liebhaber ein absolutes Muss ist. Nicht nur der Vollständigkeit der Sammlung halber wegen, denn in den Kanon guter und professioneller deutscher Celtic Rock-Bands muss man sie so oder so zählen. Nein, sondern auch wegen ihrer Kreativität und ihrer Liebe zum Detail. Große Empfehlung für alle also, die zwischen gemäßigtem Punkrock bis hin zu Poprock auf solider Folkbasis mit Neigung zu liebevollen Verzierungen durch andere Musikstile zu haben sind.
Tracklist
- Weak
- The Emerald Gossip
- P Stands For Paddy
- London Days
- Le Beat Celtique
- Sweet Bitter Good-Bye
- The Reel Riot Session
- Reilly Ramones
- Brendan’s Blessing
- Free Polka Jamboree
- Rebel Town III
- Shamrocknroll
- I Danced With John Travolta
- Johnny And The Booze
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