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Interview mit Calum und Rory Macdonald (Runrig) Teil 2

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Während es im ersten Teil des Interviews um das aktuelle Album „The Story“ ging, kommen im zweiten Teil persönlichere Einschätzungen der beiden Runrig – Gründer zur Sprache. Das Gespräch führte Frank Weiffen am 27.1.2016 in Bochum.

Ernsthaft: Wie läuft das bei Runrig, wenn Ihr neue Songs fertig habt?

Rory: Wir rufen die anderen an und setzen uns dann zusammen. Das war schon immer so.

Calum: Und wenn wir uns zusammensetzen, dann sind wir beiden auch tatsächlich nur die Songwriter. Wir sehen uns nicht als Musiker.

Wie bitte?

Calum: Nein. Tun wir nicht.

Als Künstler?

Calum: Nein. Auch nicht. Nur als Songwriter. Songwriting ist der Grund, warum wir die Band gegründet haben und das mit Runrig seit 43 Jahren machen.

Aber Ihr würdet schon sagen: Songwriting geht weiter als Musikmachen, denn: Jeder kann ein Musiker sein, wenn er übt. Aber nicht jeder kann Songs schreiben?

Rory: Nein. Das ist es auch nicht. Wir sind einfach miserable Musiker. (lacht)

Das ist also der Grund, warum Calum nur Percussion spielt?

Calum: Eben! Schlagzeuger und Perkussionisten sind keine Musiker! (lacht) Im Ernst: Gerade das macht doch die Qualität einer Band aus: Dass jeder andere Stärken hat und damit die Schwächen des Anderen ausgleicht. Diese Harmonie. Das ist wie in einem Sport-Team.

Rory: Schau‘ Dir doch einmal diese so genannten Supergroups in der Musik an: Gerade bei denen ist es stets ein schmaler Grat zwischen Erfolg und Scheitern. Denn: Wenn alle in der Band zu gut sind und zu große Egos haben, dann ist die Gefahr groß, dass es nicht gut geht. Du brauchst eben Gegensätze in einer Band. Du brauchst auf der einen Seite sehr gute Musiker, die die anderen mitreißen – so wie das bei uns unser Gitarrist Malcom Jones ist. Ein ganz hervorragender Musiker! Und du brauchst auf der anderen Seite Leute, die diese Musiker wiederum unterstützen. Solche Leute wir uns. Wie Calum schon sagt: Es ist wie in einem Sport-Team. Wie in einer Fußballmannschaft. Wenn da nur elf Ronaldos spielen…

Calum: Dann kriegt keiner mehr den Ball, weil ihn alle haben und behalten wollen! (lacht)

In Deutschland gibt es dafür das Wort „Alphatier“. Seid Ihr trotzdem nicht auch solche Alphatiere – die Songwriter eben, die das letzte Wort haben?

Calum: Was das Schreiben der Texte oder unseren Gesang angeht, vielleicht. Aber bei allem anderen nicht.

Rory: Runrig ist letztlich eine Demokratie. Jeder darf mitentscheiden. Und am Ende wird das gemacht, was die Mehrheit will.

Eure Songs spiegeln in aller ihrer wechselnden Melancholie und Lebensfreude, mit all ihren Folk-Elementen und den Teilen in gälischer Sprache perfekt den Charakter Schottlands. Und: Ihnen wohnt ein gewisser Stolz inne, den ihr für Eure Heimat hegt. In Deutschland, wo Ihr viele Fans habt, ist die Verbindung von Stolz und Heimat eher problematisch. Man könnte sogar sagen: Einige sind durchaus neidisch darauf, dass Ihr Schotten so unproblematisch mit diesem Begriff umgehen könnt. Wie viel Stolz darf sein?

Calum: Es geht immer um die Art des Stolzes. Wir haben auf dem neuen Album beispielsweise einen Song „Rise And Fall“, der sich streng genommen um genau dieses Thema dreht. Um Stolz und die Geschichte eines Landes. Oder für diesen Fall genauer gesagt: Um den Krieg und das, was daraus entstanden ist. Wir haben alle Anteil an den menschlichen Tragödien der Vergangenheit und müssen uns neben all der Schönheit der Welt und unserer Umgebung eben auch damit auseinandersetzen. Damit, was unsere Eltern und die Generationen davor durchgemacht haben. Letztlich ist es auch egal, wo wir herkommen – wir sind alle Teil dieser Vergangenheit. Aber abgesehen davon: Ihr Deutschen solltet Euch nicht schämen für Euer Land! Ihr habt jeden Grund, sehr stolz auf Euer Land zu sein!

Rory: Deutschland ist ein wundervolles Land mit tollen Menschen und tollen Landschaften.

Es gibt dennoch nicht wenige Menschen bei uns, die begeistert sind von Schottland oder Irland und die sagen: „Ich wäre lieber Schotte oder Ire!“

Rory: Ah, nein. So sollte man nicht denken. (lacht) Wobei wir tatsächlich selber deutsche Fans kennen, unter anderem ein Ehepaar, die nach Schottland gezogen sind. Das Paar zum Beispiel lebt jetzt in Portree auf der Isle Of Skye. Und beide haben sogar Gälisch gelernt.

Calum: Was interessant ist in diesem Zusammenhang: Als wir die beiden das letzte Mal trafen, fragte mich der Mann, wie es sich denn so anfühlen würde, wenn man Schotte ist.

Was hast Du ihm geantwortet?

Calum: Ich sagte ihm: „Das weiß ich leider auch nicht. Ich bin ja nie etwas anderes gewesen. Ich kann daher keine Vergleiche ziehen.“ Dann drehte ich den Spieß um und fragte wiederum ihn: „Wir fühlt es sich denn an, Deutscher zu sein?“ Und er antwortete mir daraufhin: „Naja, nicht so gut.“ (lacht) Das scheint bei dem einen oder anderen also wirklich verankert zu sein.

Ihr spielt Folkrock. Das heißt: Ihr widmet Euch auch der Volksmusik Eures Landes – und viele Menschen hierzulande lieben das ebenso wie Ihr. Im Gegensatz dazu mögen viele dieser Folk-Fans aus Deutschland die eigene Volksmusik überhaupt nicht. Volksmusik hat bei uns einen eher anrüchigen Charakter. Ein Widerspruch?

Rory: Nein. Ich denke einfach, dass man die beiden Arten von Volksmusik – die in Deutschland und die bei uns – nicht so recht vergleichen kann. Wie nennt Ihr das nochmal bei Euch? Irgendwas mit „Sch“…

Du meinst Schlager?

Rory: Genau!

Calum: Wir haben zwar etwas Ähnliches bei uns auch. Frauen in langen Kleidern und Männer, die Akkordeon dazu spielen. (lacht) Aber das ist nicht so populär und letztlich doch irgendwie anders als die Volksmusik bei Euch.

Rory: Manchmal, wenn wir auf Tour durch Deutschland sind, dann zappen wir uns im Hotel auch durch die Fernsehkanäle. Und ich schaue da auch schonmal Schlagermusiksendungen an. Es gibt da so zwei Typen, die ziemlich füllig sind, die habe ich jetzt schon mehrfach gesehen.

Das sind wahrscheinlich die Wildecker Herzbuben. Übersetzt „Wildecker Heart-Boys“… Ein Riesending hier.

Rory: Genau! Und davon gibt es eine Menge bei Euch, oder?

Durchaus…

Rory: Na, vielleicht können wir nach „The Story“ in Richtung Schlager gehen. Was meinst Du? Eine gute Idee?

Nicht wirklich. Ihr würdet einige Fans gewinnen. Aber viele verlieren.

Rory: Dann lassen wir das lieber. (lacht)

Habt Ihr eigentlich auch bei dem Referendum über die schottische Unabhängigkeit vor zwei Jahren abgestimmt?

Calum: Natürlich!

Und was denkt Ihr über das Ergebnis, darüber, dass die Mehrheit sich gegen die Unabhängigkeit entschieden hat?

Calum: Naja, es war ein wenig unerwartet. Viele haben nicht mit so einem Ausgang gerechnet. Wobei die Sache ja sehr knapp war. Vielleicht wird es in Zukunft irgendwann passieren, dass wir uns anders entscheiden. Vielleicht war die Zeit einfach noch nicht reif.

Wenn ich fragen darf: Hast Du denn mit „Ja“ gestimmt?

Calum: Das habe ich. Aber ich bin nicht enttäuscht. Man muss das wie eine Reise sehen. Nur eben eine politische. Es gibt Dinge, die für eine Unabhängigkeit sprechen und Dinge, die dagegen sprechen. Ich denke, man sollte nicht darüber diskutieren, ob das jetzt ein Fehler war oder nicht. Man muss vielmehr positiv denken und die Zukunft weiter aktiv gestalten. Das ist jetzt eine große Chance für die nachwachsende junge Generation. Sie kann kreativ sein und ihr Glück versuchen. Was dabei herauskommt? Egal! Tu es! Vielleicht haut es hin. Vielleicht nicht. Das wird sich zeigen.

Was bei Euch immer hinhaut, das sind die Konzerte an besonderen Orten, die Ihr einmal im Jahr spielt. Ich war zum Beispiel 2007 mit meiner Frau am Loch Ness…

Rory: Oooh, seid Ihr auch schön im Matsch versunken? (lacht)

Absolut. Und genau das ist der Grund, warum ich im Nachheinein so gerne daran zurück denke. Das war gerade wegen dieser sintflutartigen Regenfälle eine so besondere Sache. Eine Sache, die man nie vergisst und die ich seitdem auch nie wieder erlebt habe…

Rory: Das glaube ich. Haben wir auch nicht. (lacht)

Calum: Oh, Mann, das war schon speziell. (lacht)

Rory: Das war eine wirkliche Erfahrung. Weil es eine extreme Erfahrung war.

Calum: Noch heute sagen alle, die das miterlebt haben voller Stolz: „Ich war da!“  

Worauf ich eigentlich hinauswollte: Welche besonderen Konzert-Locations könne zukünftig noch kommen – nach Loch Ness, Loch Lomond oder der „Party On The Moor“?

Calum: Wir haben immer Ideen für so etwas und halten immer Ausschau. Vieles haben wir ja schon durch. Und zweimal am selben Ort zu spielen wollen wir nicht. Mal sehen, was sich da in Zukunft noch so ergibt. Wir spielen ja ganz gerne auf Schlössern…

Davon habt Ihr ja eine ganze Menge in Schottland…

Calum: So ist es. Und wir haben einige schon durch. (lacht)

Und Ihr müsst es natürlich immer irgendwie toppen. Also: Es ist zwar musikalisch eine andere Baustelle, aber: Metallica haben vor zwei Jahren ein Konzert in der Antarktis gegeben…

Calum: Nein. Das ist der Punkt, an dem wir aussteigen. Das wäre nichts für uns! (lacht)

runrig1

zum 1. Teil des Gesprächs

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