Das vierte ist Merry Hells bisher politischstes Album geworden. Gegenüber dem Vorgänger Ghost In Our House zeigen sie sich kraftvoller, gradliniger und entschiedener. Nicht verwunderlich, dass die erste Pressung seit der Veröffentlichung am 1.11. bereits ausverkauft ist: Selten hat ein Album so gut in die aktuelle Stimmung gepasst. Nach dem Aufstieg der Rechten, nicht nur in England, könnte man in tiefe Depression versinken, aber so leicht lässt man sich in Lancashire nicht unterkriegen.
Unabhängig davon, ob wir durch Vererbung (Titelsong Bloodlines) miteinander verbunden sind oder nicht – jetzt ist auf der Linken Einigkeit nötig, sehr schön ausgedrückt in We Need Each Other Now.
Mit klaren Aussagen und oft hymnischen Melodien bringen Merry Hell die nötige Aufmunterung. Die Stimmen stehen deutlich im Vordergrund, manchmal singen sogar alle acht Mitglieder. Die Instrumentierung ist sparsam, aber abwechslungsreich. Neben dem dominierenden Folk-Rock englischer Prägung scheinen auch mal Brit-Pop- oder Runrig-ähnliche-Riffs durch.
Come on England oder Stand Down haben einen deutlich appellativen Charakter. Sie ziehen klare Linien von den historischen Rebellen der Diggers und Levellers (nach denen sich die Kollegen benannten) bis zum Kampf für das staatliche Gesundheitssystem NHS. Der satte nordenglische Akzent unterstreicht, wie sehr die Band mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen steht.
Trotz des politischen Frustes kommen die privaten Momente auf Bloodlines nicht zu kurz. When We Are Old enthält eine besinnliche Liebeserklärung, wohingegen Sweet Oblivion die pure Lebensfreude beschreibt.
Mein Anspieltipp für weniger folkig Orientierte ist Over The Wall, eine Rocknummer mit drei verschiedenen Tempi. Gerne mehr davon.