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Moving-On Song (Go! Move! Shift!)

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Travellers oder Tinkers, Namen für sie gibt es viele, oft nicht sehr schmeichelhafte. Auf englisch werden sie Gypsies genannt, was von Egyptians abgeleitet ist. In Irland und Großbritannien sind die meisten von ihnen nicht mit den Roma verwandt, deren Urahnen einst aus Indien nach Europa einwanderten.

Hintergrund

In Schottland sind verschiedene Gruppen der Highland und Lowland-Travellers zu unterscheiden, die mindestens seit dem 16. Jahrhundert unterwegs waren. Wie sie selbst berichten, hätten entwurzelte Familien nach der Schlacht von Culloden oder dem Massaker von Glencoe das Nomadendasein begonnen. Ihren Lebensunterhalt verdienten sie als Kesselflicker, Korbflechter, Erntearbeiter oder auch Beerenpflücker. Ihre Lebensweise passte zum saisonbedingten Bedarf an Aushilfskräften in der Landwirtschaft. Das Problem waren allerdings die harten Wintermonate. Die erweiterte Familie bildete – wie bei Roma und Sinti – eine wirtschaftliche und soziale Einheit. Durch ihre Außenseiterposition waren sie stark auf sich gestellt. Gesprochen wurde oft ein eigene Sprache, Shelta in Irland, Cant in Schottland, wobei einige gälische Wörter einflossen. In den Augen der örtlichen Gemeinschaften macht sie allein schon die Tatsache verdächtig, dass sie sich durch das Weiterreisen der sozialen Kontrolle entziehen. Ihr Lebensstil mit eigenen Wertvorstellungen und Traditionen war nur bedingt mit den Anforderungen der Industriegesellschaft zu vereinbaren.

In Volksliedern dienen die Fahrenden den Sesshaften als Projektionsfläche, das Wilde, Freie erscheint attraktiv, aber auch bedrohlich. In Raggle Taggle Gypsy oder in Whistling Gypsy Davy brennt eine Frau hohen Standes mit einem der Travellers durch. Zur Beschreibung der Realität sind diese Texte allerdings ungeeignet.

Radio Ballads

Wie es ist, als zehntklassiges Mitglied der Gesellschaft zu leben, thematisierte die letzte Folge der Radio Ballads. Dieses innovative Format der Radio-Dokumentation entwickelte das Sängerpaar Ewan MacColl und Peggy Seeger mit dem Produzenten Charles Parker. Neu war, dass die Texte nicht von Schauspielern gesprochen wurden, sondern die Betroffenen selbst zu Wort kamen. Um das Thema auch emotional erfassbar zu machen, schrieben  und sangen Seeger/MacColl neue eigene Songs. 1958 wurde die erste Folge ausgestrahlt, der 8. Teil The Travelling People, 1964.

Ebenso wie in Irland und England wurden viele Lieder in Schottland durch die Fahrenden vor dem Vergessen bewahrt. MacColl und Seeger hatten früher solche mündlich überlieferten Lieder aufgezeichnet und dadurch Kontakte zu der Sängerin Belle Stewart aufgebaut, die ihnen Zugang zu ihren Leuten vermittelte. Aus 300 Stunden gesammeltem Tonmaterial gestalteten sie ihre Sendung.

„Ich erwartete eins meiner Kinder, wissen Sie, eins meiner Babies, und mein Mann der hatte nach der Hebamme geschickt und in der Zeit wie er weg ist kommt der Polizist vorbei. ‚Los’, sagt er, ,Bewegt Euch, Ihr müsst weiter’, sagt er,  ,Will euch hier nicht, hier in meinem Bezirk.’ Also sagt mein Mann: ‚Schauen Sie, Sir, lassen Sie mich bleiben’, sagt er, ‚meine Frau bekommt ein Baby.’ ‚Nein, das ist egal’, sagt er, ‚Ihr haut ab.’. ..Wir zogen die Straße lang und der Polizist folgte uns…und das Kind wurde geboren, geboren an der Kreuzung.“

übersetzt aus dem Skript der Radio Ballads,  im Original zu hören in diesem youtube-video.

Text

Born in the middle of an afternoon
In a horse-drawn wagon on the old A5
The big twelve wheeler shook my bed
“You can’t stop here,” the policeman said:

Chorus:
“You better get born someplace else
So move along, get along,
Move along, get along,
Go, move, shift!”

Born in the tatie lifting time
In an old bow tent in a tatie field
The farmer said: The work’s all done
It’s time that you were moving on
You better..

Born in a wagon on a building site
Where the ground was rutted by the trailer’s wheels
The local people said to me,
You’ll lower the price of property

Born at the back of a blackthorn hedge
When the white hoarfrost lay all around
No wise men came bearing gifts
Instead the order came to shift

The winter sky was hung with stars
And one shone brighter than the rest
The wise men came so stern and strict
And brought the order to evict

Wagon, tent or trailer born
Last week, last year or in far off days
Born here or a thousand miles away
There’s always men nearby who’ll say..
(tatie = Kartoffel)

 

“Jesus war doch auch unterwegs. Seine Mutter ritt mit ihm auf einem Esel. So steht es doch in der Bibel.“(aus dem Skript)

Bissig beschreibt MacColl einige exemplarische Situationen. Wie er in wenigen Zeilen ein lebendiges Bild entwirft, zeigt den meisterhaften Songschreiber. Eine Geburt findet statt im alten Pferdewagen am Straßenrand, im Zelt zur Kartoffelerntezeit, an einer Baustelle oder auf dem Land, wenn der Raureif kommt. Die „drei Weisen“ bringen der Familie statt Geschenken den Befehl zum Weiterziehen. Gibt es eine härtere Form der Zurückweisung als bereits im Augenblick der Geburt vertrieben zu werden?

Aufnahmen

Am bekanntesten ist wahrscheinlich die Fassung von Christy Moore unter dem Titel Go! Move! Shift!. Hörenswert  auch die Aufnahme von Dave Burland, Dick Gaughan und Tony Capstick, die 1978 das Album Songs of Ewan MacColl einspielten. Die Inner Terrestrials aus England haben eine Ska-Punk-Nummer draus gemacht. Die Connemara Stone Company veröffentlichte den Moving On Song 2004 auf Birds and Beasts.
Auf einer LP zur Sendung singt MacColl selbst.

Mehr Songs aus der Sendung

Weitere Songs aus der gleichen Radio Ballad-Sendung sind Freeborn Man, The Terror Time und Farewell to the Thirty-Foot Trailer. Sie behandeln die Freiheitsliebe, die furchtbaren Bedingungen im Winter und den Abschied vom Nomadenleben. Alle sind zu Recht ebenfalls populär. Die Dubliners haben mit Luke Kelly den Thirty-Foot Trailer aufgenommen, Freeborn Man die Pogues.

Gegenwärtige Situation der Fahrenden auf den Inseln

Die Zahl der „Pavees“ in Irland liegt zur Zeit bei 23 000, etwa 1% der Bevölkerung. Mehr dazu hier.

Viele aufschlussreiche Fotos  in diesem youtube-video.

Unter den besten Uilleann Pipes-Spielern stammten einige aus Traveller-Familien: der legendäre Johnny Doran, Paddy Keenan (Bothy Band) oder Finbar Furey.

Die meisten der Fahrenden auf den Inseln sind wie im übrigen Europa inzwischen sesshaft. An ihrer Außenseiterrolle hat sich aber nicht viel geändert. Sie sind vielfach im Schaustellergewerbe oder im Schrotthandel tätig. Gesundheitszustand und Sterblichkeitsrate sind erheblich schlechter als in der übrigen Bevölkerung. Zugang zu Bildung, Beschäftigung und Gesundheitswesen sind weiterhin große Probleme.

Das Nomadendasein ist immer noch eine Option für Leute, die sich in ihren Ansichten und Gewohnheiten stark von der Mehrheit unterscheiden. Ähnlich wie die hiesigen Aussteiger sind in England die „New Age Travellers“ unterwegs. Ausgangspunkt waren die großen freien Festivals der Siebziger Jahre wie Glastonbury. Ärger mit den Behörden wegen der Lagerplätze gibt es nach wie vor.

Video

Chris Wood, Karine Polwart live

 

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