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Olaf Sickmann ~ New Living Room (2013)

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New Living Room
New Living Room

„Mein großer Traum war es immer, eine Solo-Gitarren-CD aufzunehmen“, lässt Sickmann im Booklet seines 17-titlers verlautbaren. Was auf das erste Lesen womöglich nach klirrender Monotonie klingen mag, offenbart sich auf der Länge von 47 Minuten als eine Widerlegung des etwaigen Ersteindrucks. Wiewohl nur zwei Titel nicht aus der Feder des Gitarristen sondern traditionellen, nicht überlieferten Urheberkollektiven stammen, weisen sich alle Titel als quasi-traditionell aus, was sowohl die intuitive Melodieführung als auch technische Umsetzung angeht.

Die Traditionals Monaghan Jig und The Silver Spire eröffnen den Reigen der besinnlichen Stahlsaitenklänge und führen in den Duktus der Folgetitel ein. Mit gelassener Beharrlichkeit kultiviert Komponist und Gitarrist Sickmann die volle Kraft der Monophonie. Dass ebendiese nicht zur akustischen Ermüdung führen muss, verdankt sich u.a. dem Umstand, dass insbesondere die Stahl- und Leersaiten einen fast akkordischen Nachklang hinterlassen. Indes sich also die Melodie durch die Takte windet, schwingt das Vergangene in im Korpus nach und hinterlässt nicht nur die musische Erinnerung, sondern vielmehr die Wirkung eines wohlinszenierten Nachklingens.

The Old Water Mill drosselt die Geschwindigkeit der ersten Titel und moduliert einzig aus den sphärischen Klängen der Flageoletts ein abendliches Wiegenlied. Der vierte Track des Silberlings, Talking About Wedding, betont die Slights zwischen den Bünden und überrascht an der ein oder anderen Stelle mit unerwarteten Melodieführungen, um in den Namensgeber des Albums, New Living Room, zu münden. Bisweilen scheinen sich folkloristische Muster mit barocker Exaltiertheit zu vereinen, während die linke Hand unermüdlich über die Lagen wandert.

Trotz der konzeptionellen, nicht ein einziges Mal unterbrochenen Einstimmigkeit stellt sich beim geneigten Hörer keine Übersättigung ein. Vielmehr zieht der schier endlose Strom melodiöser Selbstverwirklichung den Rezipienten in seinen Bann, so dass im Sog des fließenden Notenstroms die Zeit ebenso schnell verrinnt wie das Saitenspiel. Mancherorts ersehnt man beinahe den zu erahnenden Anschlag eines Basstons, indes Sickmann sich durch die hohen Oktaven windet. Vermöge der wohldosierten Hinzugabe des magenschmeichelnden Basstones erfahren die Stücke eine bisweilen erstaunliche Rhythmisierung, ohne dabei jedoch vom Kurs der Monophonie abzuweichen.

Wem solistische Leistung im Allgemeinen nicht sehr zusagen oder diese zumeist um eine Sangesstimme bereichert wissen will, wird in New Living Room keine Befriedigung seines bisherigen Hörverhaltens finden. Wer jedoch virtuose Technik, die sich hinter bescheidener Genügsamkeit gern erst beim zweiten Hören offenbart, zu wertschätzen weiß, der wird schnell dem beinahe hypnotischen Strom Sickmanns fantastischer Sechs-Saiten-Odyssee erliegen, und – gefangen und umwirkt vom Wohlklang der Einfachheit – nach 17 Titeln aus einem musischen Traum erwachen, um festzustellen: „Verweile doch. Du bist so schön.“

 

Trackliste

  1. Monaghan Jig
  2. The Silver Spire
  3. The Old Water Mill
  4. Talking About Wedding
  5. New Living Room
  6. Floating Ground
  7. In Vino
  8. North Jig
  9. Codebreaker
  10. The Green River
  11. Ten Minutes
  12. Changing Colours
  13. Champions
  14. Music On Sunday
  15. Cold But Sunny
  16. Still There
  17. River View

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