Ride On ist auch drauf – für Konzertbesucher, die gern die allerletzte Zugabe zu Hause nachhören wollen. Neben dieser Konzession ans Publikum hat das Material aber wenig mit dem in unseren Sphären Gewohnten zu tun – und das ist gut so.
Der Sänger und Akkordeonist Ralf Weihrauch betreibt mit seiner Band Crashando das gewohnte Irish–Folk-Entertainment. Er hebt sich aber wie bereits bei früheren Veröffentlichungen gern vom Üblichen ab. Die Stücke für Green Break hat er allein ausgewählt. Ein Großteil der Songs stammt aus England, und entgegen verbreiteter Vorurteile gibt es musikalisch dort eine ganze Menge zu holen. Was Christy Moore Recht war – nämlich Songs aus England zu interpretieren – ist dem Ralf Weihrauch Trio nur billig. Dessen erste Veröffentlichung liegt hier vor. Zum Trio zählen außer dem Namensgeber auch Jonas Liesenfeld (Geige) und Beate Rupietta (Gesang). Gemeinsam hat man sich einiger Titel aus dem britischen Folk-Revival in einer Weise angenommen, die mir allen Respekt abnötigt.
Ralf Weihrauch hat sich intensiv mit den wichtigsten Sängern des englischen Folk-Revivals beschäftigt, was man beim Gesang hören kann. Als früherer Agent für Größen aus der englischen Folk – Szene hat er gute Kontakte und konnte daher neben anderen Gastmusikern Chopper von der Oysterband sowie Sara Allen, ehemals Flook, zum Einspielen einiger Parts gewinnen.
Die ca. 40 Jahre alten Vorbildaufnahmen bestechen u.a. durch konsequentes Ignorieren moderner Hörgewohnheiten. Peter Bellamy, A.L. Lloyd oder die Young Tradition zeichnet eine individualistische Knorrigkeit aus, die einerseits liebenswert ist, andererseits wie das Hören Generationen alter Feldaufnahmen nach einer Weile ermüdet.
Das Verdienst des Trios ist es, die melodisch und rhythmisch wunderbar reichen Lieder so aufgenommen zu haben, dass man sie gut hören kann, ohne dass die Stärken der Musik verwässert wurden. Dafür mein aufrichtiger Dank, liegen mir die Lieder von Martin Carthy und Co. doch seit Jahren am Herzen. Wer wissen möchte, was sich in England vor Seth Lakeman oder Bellowhead abgespielt hat, bekommt hier einen guten Eindruck.
Die beiden Mitstreiter machen ihre Sache sehr gut, wenn auch der Namensgeber des Trios deutlich dominiert. Jonas Liesenfeld, Student der Jazzgeige, zeigt sich enorm vielseitig, entwickelt in der Liedbegleitung sehr kreative Melodielinien und ist in klassischen Wohlklängen (Handweaver & The Factory Maid) ebenso zu Hause wie in schottischer Tanzmusik oder bei „irischen“ Verzierungen bei Arthur McBride. Die hier gesungene Version erscheint mir melodisch erheblich interessanter als die übliche, auf Paul Brady zurückgehende. Jenny Nettles aus Schottland kommt weniger zackig als bei der Battlefield Band daher. Das anschließende Tänzchen wird von Klarinette und Tuba ins Osteuropäische gezogen, klingt aber auch nach Pyewackett, während ein weiterer Set mit Dobro an Tiger Moth erinnert, eine weitere englische Band. In jedem Fall sehr differenziert und swingend gespielt.
Das erwähnte Ride On erhält wie auch andere Songs Tiefe und Kraft durch den guten Akkordeonsound, der angetan ist, die Vorbehalte gegen dies vielseitige Instrument zu zerstreuen. Größtes Qualitätsmerkmal des Albums ist für mich aber der zweistimmige Gesang, zu dem Beate Rupietta die obere Stimme beisteuert, speziell bei den Sacred Harp-Stücken – Liedern aus der englischen Kirchenmusik, die in Amerika in einem speziellen Harmoniestil gepflegt werden. Dur und Moll werden vermieden, stattdessen gibt es Quart-Reibungen.
Lyke Wake Dirge ist sauber, kraftvoll und mit Herz gesungen: eine uralte Totenklage, wo es um die Seele und das Fegefeuer geht. Nach diesem sehr tiefgründigen Lied folgt ein harter Kontrast: ein Tuneset mit Jazzbegleitung, inkl. Drums und Kontrabass. Ich gestehe, dass ich die CD an dieser Stelle am liebsten aus dem Autofenster geschmissen hätte, weil hier mutwillig die vorher kunstvoll aufgebaute Atmosphäre wieder zerstört wird. Lyke Wake Dirge bekommt allerdings eine zweite Chance. Als Abschluss gibt es einen Remix mit Syntheziser und Computerbeats. Das rumpelt ein bisschen, unterstreicht den zweistimmigen Gesang aber effektvoll und passt vielleicht besser als herkömmliche Folk-Instrumente. Ob das die Gothic-Freunde auf eine Tanzfläche locken würde? In unserem Radio könnt ihr diesen höchst ungewöhnlichen Titel kennen lernen.
Außerdem gefällt mir besonders The Handweaver & The Factory Maid mit seinem ungeraden Rhythmus, wo ziemlich unverblümt die erotischen Qualitäten einer Fabrikarbeiterin gepriesen werden. Die Songs im südenglischen Stil der Copper Family passen in ihrer Behäbigkeit nicht so ganz dazu.
Durch die Hinzunahme einer Sängerin und eines Instrumentalisten ist angelegt, dass die Entwicklung gleichzeitig in zwei Richtungen weitergehen wird – Tunes und Songs. Auf dem ganzen Album ist übrigens keine Gitarre zu hören. Fällt nicht negativ auf und kann gern so bleiben.
1. Jenny Nettles / Lady Mary Hayes Scotch Measure
2. Farewell Lovely Nancy
3. Handweaver & The Factory Maid
4. Lyke Wake Dirge
5. Molly Rankin`s / Macarthur`s Road / The Kitchenpiper
6. Week before Easter
7. April Morning
8. Ride On
9. Cullen Bay / Twisted Bridge / Fleshmarket Close
10. Arthur McBride / Graeme McDowell`s
11. Idumea
12. Back and Side / Three around Three
13. Lyke Wake Dirge (Frank N. Sense Remix)
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