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Ralph McTell im Kulturhaus Lüdenscheid

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Bei ihm dürfte der Begriff „Legende“ wirklich angemessen sein. Ralph McTells Karriere umspannt mehr als fünf Jahrzehnte, die Zahl der Aufnahmen seiner bekanntesten Lieder ist Legion. So war es nicht verwunderlich, dass sein von Kalle e.V. organisiertes einziges Deutschlandkonzert ausverkauft war und viele Fans eine lange Anreise auf sich genommen hatten. 

Vielleicht ist er die ideale Verkörperung dessen, was seit den Siebzigern das Bild eines Folksängers ausmacht: ein freundlicher, ruhiger Mann, der mit angenehmer Stimme und gezupfter Gitarre Erlebnisse und Emotionen in Lieder umsetzt. Sich nicht mystifizierend wie der zwei Jahre ältere Bob Dylan (der ihn unzweifelhaft beeinflusst hat) sondern eher wie der nette Typ von nebenan.

McTell betrat allein die abgedunkelte Bühne. Es gelang ihm, auch mit mehreren hundert Besucher*innen im Raum eine intime Atmosphäre herzustellen wie bei einem Clubkonzert. Seine Ansagen waren auf den Inhalt des jeweiligen Songs konzentriert und nicht ohne Humor. Weder gesanglich noch instrumental waren irgendwelche altersbedingten Schwächen zu verzeichnen. Die volle, warme Stimme gab einem das Gefühl, dass alles schon wieder irgendwie in Ordnung kommen wird.

Wie so viele andere orientierte sich der junge Ralph am Gitarrenspiel der US-amerikanischen Blueser wie Reverend Gary Davis, die wiederum mit ihrem Fingerpicking das Ragtime-Pianospiel nachahmten. McTells Spiel auf seiner Gibson wirkte unspektakulär, ist aber ausgefeilt und variantenreich. Dies kam speziell bei der großartigen Umsetzung von Hermann Hesses Siddhartha und einem Solo-Rag zum Ausdruck. Der 74-Jährige setzte sich aber auch für ein paar Lieder an den Konzertflügel, den er ebenso wirkungsvoll zur Begleitung einsetzte.

Alle Lieder hatten organisch fließende, eingängige Melodien, in die man sich rasch verlieren konnte. Ein immer wieder auftauchendes Thema war naturgemäß der Lebens-Rückblick. Wie in jedem großen Liedermacher steckt in Ralph McTell ein Philosoph und Poet. Für ihn scheinen die Ereignisse erst real zu werden, wenn man sie reflektiert und beschreibt – so wie ein Stummfilm erst durch die Kommentierung zum Leben erweckt wird. (Cape Horn). Es ging letztlich um die Reise zu sich selbst, Kommentare zu aktuellen oder historischen Ereignissen wären deplatziert gewesen.

Würde der große Songwriter dem Erwartungsdruck nachgeben und seine bekanntesten Stücke vortragen? Als freundlicher Mensch tat er es am Ende des Konzerts dann doch. Zunächst From Clare to Here, danach Streets of London, was recht ordentlich vom Publikum mitgesungen wurde.

Mit seiner Zugabe ging McTell gleichzeitig in die Gegenwart und die Vergangenheit: der Song von seinem aktuellen Album bezog sich auf das Cover von Bob Dylans LP Freewheelin‘ von 1963ein Abbild der jugendlichen Unbeschwertheit. Das Publikum in Lüdenscheid zeigte sich am Schluss rundum begeistert. Man verließ den Saal mit dem Gefühl, ein ganz besonderes Konzert erlebt zu haben.

Titelbild: küc
Bilder im Text: Guntmar Feuerstein

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