Revelling crooks, zu Deutsch die zechenden Halsabschneider, zelebrieren einen musikalischen Multikulturalismus, der zwischen Ost und West, Nord und Süd, zwischen wohlfeilem Alten und innovativem Neuem zum Tanzen einlädt. Gleich den blues brothers („we’re on a mission from god“) befinden sich die Offbeat-wütigen Schurken auf einer gleichsam messianischen Mission gegen die Grundfesten der hörgenüsslichen Borniertheit. Und nebenbei fällt auch noch ein „Tanzt! Tanzt, Tanzt! Dance, you bloody bastards!“ ab.
Ihre eigene stilistische Verortung in den Gefilden des Speedfolk ist heute, wegen der beinahe allgegenwärtigen Verwendung der Stilbeschrreveeibung, vielleicht irreführend. Verbergen sich derzeit zumeist E-Gitarre-bretternde, rhythmisch und gesangstechnisch nicht selten dem Punk- oder Ska-ähnliche Bands hinter der Beschreibung, erfrischen revelling crooks die Begrifflichkeit mit ursprünglichem Charme. Weg vom wie-ein-Ei-dem-andern-ähnelnden Nachahmungssound der zwischen Pogues und Fiddlers Green wenig Neues bietet, offeriert der 21-titlige Silberling Innovation auf technisch hohem Niveau. Allein für den Umstand, dass die achtköpfige Formation für die Fluchtmöglichkeit aus der musikalischen Monotonie des Speedfolk sorgen und gleichsam eine Renaissance-Offerte bieten, gebührt ihnen ein kniefallender Dank.
Dabei beweisen die zwei Damen und sechs Herren ihr multiinstrumentales Können. Neben Bass, Gitarre, Schlagzeug und dem obligatorischen Gesang erklingen Akkordeon, Trompete, Mandoline, Geigen, Banjo und Mundharmonika. Erfreulich ist auch die gesangliche Vielfalt: Über die Hälfte der Mitglieder des musischen Bandkollektivs kommen auch in Einzelleistung an das Live-Mikro. Dabei wird immer und immer wieder das lose und polyglotte Mundwerk der acht unter Beweis gestellt. Es ertönen Texte in deutschem, französischem, englischem, jiddischem und vielerlei anderem Sprachengewirr.
Das Live-Album bietet neben unglaublichen 21 Titeln eine wohlgeratene Mischung aus bekannten und neuen Songs. So zeigt sich bspw. „Die Gans“ im Live-Gewand als überaus ansehnlich. Bedauerlicher Weise wird die Leistung der Band vom Mixing etwas unterminiert. Der Gesamtsound, den ich bisher als klar nuanciert kannte, ist hier leider etwas mittenlastig-verwaschen. Auch, oder insbesondere, der Geigensound leidet an diesem Umstand. Gelingt es dem gutgesonnenen Hörer jedoch, dieses Manko auszublenden, ist die CD in echter Hinhörer.
Mit „Musical Priest“ wird ein vielkonsultierter Titel der Irish-Folk-Szene in astrein pluralistischer Manier interpretiert. Jeder Titel kann als symptomatisch für das gesamte Album betrachtet werden. Hier trifft Irish Folk auf Klezmer, dort Polka auf Country. An jeder Stelle mit einem Augenzwinkern umgesetzt, dass dem Live-Charakter des Albums sehr zuträglich ist. Auffällig ist auch, dass zwischen den Titeln kaum Klatschpausen zum Erholen sind. Revelling crooks reißen ihr Publikum mit und lassen keine Minute Zeit zum Aufatmen, um dem endlosen Strom eingängiger Melodien mit partiellem Lalala-Begleitgesang bloß keinen Abbruch zu tun.
Freunde ruhiger Melodien sollten dem Album zwar eine Chance geben, dürften indes etwas überfolkt werden. Unnachgiebig treibt der Offbeat das Auditorium zum Äußersten, sodass Freunde musischer Entspannung vergeblich nach einem Refugium der Stille suchen werden. Wenn ihr Lust habt, ordentlich abzutanzen, mit eurem Schweiß Decke und Fußboden zu tränken, um danach in ein wohlverdientes Koma absoluter Erschöpfung zu fallen, oder wenn ihr mit dem Fahrrad unterwegs seid und für 30 Kilometer nur eine halbe Stunde Zeit habt, dann legt die CD ein und lasst euch vom feinsten Speedfolk aus Augsburg treiben. Hier findet ihr Speedfolk in Reinkultur für Tanzwut par excellence.
Trackliste
- Ungarischer
- S-O Mersz Giszka / Die Gans
- Way Of Destiny
- Winterdays
- Grine Kuzine
- Jasch Tebe
- Rats Are Leaving
- Ubangi Stomp
- Dumbala Dumba
- Irish Folks
- Fleurs Du Mal
- Funeral Song
- Johnny
- Dancing Over The Rainbow
- Musical Priest
- Keep Up The Traditions
- Wedding Song
- Medusa Float
- Dzhankoye
- Ale Brider
- Moldaumädchen
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