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Reverend Peyton’s Big Damn Band ~ The Whole Fam Damnily (2009)

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Cover Reverend PeytonDer gemeine Europäer hegt ja gelegentlich das ein oder andere Vorurteil gegen den durchschnittlichen amerikanischen Südstaatler. Dieses Album könnte dem Bevorurteiler das angenehme Gefühl geben, Recht zu haben.


Mama, mir schmeckt’s da nicht – ein kleiner Exkurs in das Land der Hillbilly-Musik

Mit „The Whole Fam Damnily“ von „Reverend Peyton’s Big Damn Band“ bescheren uns Sideonedummy Records eine kuriose Lektion in Sachen Hillbillytum. Ein haariger Klops von einem Pastor, Reverend Peyton, erzählt uns zusammen mit seiner Angetrauten „Washboard“ Breezy und seinem Bruder Jayme in seiner erdigen Art und zu seiner schiefen Gitarre im bluesigen-country Ton aus ihrem Leben. Alles an dieser Platte verströmt den Duft der Authentizität; man meint gar bei Betrachtung des Covers das mit auf das Familienphoto genommene Hausschwein zu riechen. Desweiteren zeigten sie einem vom Tode bedrohten Huhn auf einer ihrer zahlreicher Touren Barmherzigkeit und führten es regelmäßig Gassi  – wie Flogging Molly über diesen Tourbegleiter ihrer Vorband im letzten Jahr dachten, ist unbekannt. Wenn diese Geschichte nicht erfunden ist.

Ihre Lieder wurzeln jedenfalls in der „Heimat“, auf dem Lande, in Indiana. Das Leben dort ist  hart und schmutzig, modern ist es auch nicht, was man Band und Platte anmerkt: Der Reverend ist der Boss, quäkt und nölt sich im besten Predigerduktus pathetisch voran, seine Steel-Guitar malträtierend, so dass es klingt, als spielte sie ihren eigenen Blues. Soli schmeicheln sich nicht virtuos ins Gehör, sondern werden mit rostigem Bottleneck hineingekratzt. Der wrackige Tour-Pickup des Trios quietscht und scheppert sicher nicht weniger, aber so, wie man ihn gerade deswegen lieben würde, schließt man die „Reverend Peyton’s Big Damn Band“ in sein Herz. Wahre Liebe nimmt mitunter raue Wege.

Am Schlagzeug sitzt des Geistlichen kleiner Bruder und darf zusehen, wie er hinterher kommt, poltert und rumpelt trotzdem voller Freude auf seinen Trommeln herum – zur Not tut es auch ein Blecheimer, wie schon bewiesen. Komplettiert wird das Trio durch die Frau des Reverends, sie findet ihren Platz (fiese Gemüter würden nun fragen: Emanzipation, was ist das?) am Waschbrett. Das Bild eines klischeehaften Heimchens lässt Breezy jedoch nicht im entferntesten aufkommen, ihr Umgang mit dem archaischen Haushaltsgerät strahlt die Souveränität einer ulkigen Persönlichkeit aus.  Der rustikale Sound ist sicherlich auch der Lo-Fi  Aufnahme des Albums in einer Kirche in Bloomington, Indiana  geschuldet.

Als Reverend weiß der Frontmann natürlich was seine Mitmenschen bewegt: So betet er in dem an einen Gospel gemahnenden Blues  „Can’t Pay the Bill“ um Gesundheit, da er die Arztrechnung nicht bezahlen könne. Woher die finanziellen Nöte rühren erklärt das Stück „Why Is Everybody Getting Paid But Me“ oder „Walmart Killed the Country Store“ indem nebenbei der Bogen zu einer ziemlich sentimentalen Betrachtung seiner Welt geschlagen wird. Früher war eben doch alles ein bisschen besser, so tönt es uns schonmal traurig entgegen, wie zum Beispiel in „Them Old Days Are Gone“.

Fast noch wichtiger als die Nächsten scheint den Peytons das Essen zu sein. Beim Gedanken an mit Schwermetall verseuchtem Fisch träumt der gute Christenmensch sogar von Lynchjustiz („The Creeks Are all Bad“). In zwei anderen Stücken singt er aber wonnig und hungrig über die Kochkünste seiner Mutter oder über die Genüsse seiner Heimat, ob die Persimmon-Frucht schadlos zu geniessen ist, sei bei dem merkwürdigen „Persimmon Song“ einmal dahingestellt:

Was auch immer eine Persimmon genau ist (scheinbar eine Art Zitrusfrucht), gar so übel scheint sie nicht zu schmecken, Familie gilt noch etwas im Süden und so werden wir über den preisgekröhnten Persimmon-Pudding der Peytons informiert, netterweise überlassen sie dem Plattenkäufer das dazugehörige Rezept.

Nach soviel gutem Essen gönnt man sich mit Sicherheit den ein oder anderen Tropfen „Moonshiner“ und dann lässt es sich herrlich küchenphilosophieren oder sentimental werden. Hierzu eigenen sich die Reise- und Wanderlieder deren Grundtenor meistens lautet: zu Hause ist es am schönsten oder am Ende stellt man fest, dass man das gleiche arme Hausschwein wie seit ehedem ist.

Wer ein interesse an klassischem Rockabilly und bluesigem Country besitzt und sich von dem für Mitteleuropäer doch sehr merkwürdigen Vortrag nicht schrecken lässt, der könnte sich durchaus nach zwei, drei durchgängen als Teil der Fam Damnliy fühlen und wer weiß, vielleicht ist ein Schwein auf dem Familienphoto nach der Finanzkrise gar nicht mehr so ungewöhnlich.

Wer mag kann sich die Bande demnächst in Deutschland ansehen.

Tracklist:

  1. Can’t Pay the Bill
  2. Mama’s Fried Potatoes
  3. Worn Out Shoe
  4. DT’s or the Devil
  5. Your Cousin’s on Cops
  6. John Hughes
  7. The Creeks Are All Bad
  8. Them Old Days Were Gone
  9. Wal-Mart Killed the Country Store
  10. I’d Love You Baby
  11. Why Is Everybody Getting Paid but Me
  12. What’s Mine Is Yours
  13. Persimmon Song

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