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The Blues Against Youth ~ Trapped In The Country (2012)

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Trapped In The Country
Trapped In The Country

Bisweilen sind Namen wenig informativ. So ist bspw. das früheste der großen Werke von Thomas Mann mit „Buddenbrooks“ betitelt. Der Leser wird qua Lektüre des Romans in die Welt der Familie eingeführt, was die Namensgebung im Leseprozess erklärt. Aufschlussreicher ist hingegen der Unter- bzw. Nebentitel: „Verfall einer Familie“, der auf das Ende des Romans verweist. Was verbirgt sich also hinter The Blues Against Youth? Ein gegen die dekadente Jugend marodierendes, betagtes Musikerkollektiv, das sich gegen den Wahn der ewigen Jugend stellt und die Erhabenheit vergangener Tage postuliert?

Auch hier gibt es eine Nebenbetitelung, die mehr Informationen bietet als der eigentliche Bandname: „Country Rock Primitive One Man Experiment“. So ist zwar nicht auszuschließen, dass auch hier ein graubebarteter Althippie ans musische Tagwerk geht, aber zumindest rekurriert die Erläuterung auf die stilistische Selbstverortung des Solokünstlers Gianni, der, was seine digitale Präsenz verrät, alles andere als ein Urgestein des menschlichen Geschlechts ist, und den Namen seines musikalischen Produkts angenommen hat.  

On The Hill, die Ouvertüre zum Silberling, beginnt mit grunge-ig verzerrten Gitarrenriffs, indes der Gesang durch die Filterung eines Megafons, kompletter Bereiche beraubt, durch die Membranen der Boxen schwingt. Der pulsierend-subtile Basekick, wird durch die „invisible iron snare“ und Hi-Hat-Set untermauert, indes sich ein beinahe psychodelischer Melodiefluss entfaltet. Gianni, der live mit Gitarre, Gesang, Basedrum, der vorab genannten Rhythmusgruppe und Whistles die Bretter der Welt entert, zeugt auf Trapped In the Country von der hohen Kunst des scheinbar unbegrenzten Minimalismus‘.

Der Folgetitel, Soul Mercenary Blues, scheint der besonnten Veranda entlehnt zu sein. Sonderbar anmutig erklingen die unverzerrten Stahlsaiten der Gitarre in trautem Einklang mit einer weniger typisierten Stimme, die nun durch ein weniger effektreiches Megafon gesungen anmutet. Wunderbar eingängig relaxt sich die quasi-folkloristische Akkordfolge fast ohne Septakkorde durch die Strophen – und auch Gianni scheint mit sich und der Welt in wohlfeilem Einklang zu sein.

It’s Been A Long Time, Mama ergänzt das instrumentelle Kompendium um die hohe Kunst des Kazoo-Spiels, das fast immer komisch, wenn nicht gar ironisch distanziert wirkt. Und so beweist The Blues Against Youth (TBAY), dass für intuitive und tanzbare Musik weder eine vielpersonelle Band, noch die ewig gleichen Traditionals bemüht werden muss. Der Folgetitel, The Man Who Feels Trapped, wird dem Wechselspiel zwischen Wohlgefälligkeit und beinahe-psychotischer Ekstase gerecht und stimmt nach dem Vorgänger wieder weniger harmonische Töne an. Immer wieder erinnert Gianni dabei an David Eugene Edwards, dessen bohrender Gesang ebenso frequenzverarmt daherkommt, wie der des Solokünstlers TBAYs.

Das liebeshymnisch anmutende Honey Don’t, das zwischen Base und Schellenkranz neuerlich das Rhythmusbein schwingen lässt, und die solistischen Qualitäten am Sechssaiter unter Beweis stellt, lebt sehr vom Einsatz des illustren Alltagspfeifens, das dem Track neuerlich eine komische Konnotation angedeihen lässt. Dass ebd. womöglich neuerlich als ironisch zu verstehen ist, lässt der Mitschnitt eines monologisierenden Misanthropen vermuten: „I hate all women. I hate everything. I don’t like people in general.“

Gone With The Girl wird monoton und unbewegt, womöglich gar unbeteiligt-depressiv vorgesprochen. Während eine gastmusische Trompete sich in die Ohren luftsäult, scheint die besungene Dame nicht Anlass lebensbejahender Freude zu sein scheint, und so gesellt sich zum Sprechgesang noch das horroreske Kehlkopfsäuseln des schizoid inszenierten TBAYs. Die Touren des Solokünstlers in Italien, Deutschland, der Schweiz und Frankreich zeugen vom tiefen Eindruck, den das Album als Ausdruck der etwaigen Live-Qualitäten beim Hören hinterlässt. TBAY unterhält nicht nur, er zieht in den ehrnn und durch diesen in einen Strudel der menschlichen Gefühle: Zwischen Euphorie und tiefen Einbrüchen durchlebt der Hörer ein Wechselbad an Selbsteindrücken. Lässt man sich auf die bisweilen etwas exaltiert wirkende Musik ein, so wird der geneigte Hörer wohl mehr über sich erfahren können als über den Künstler selbst. Prädikat: Äußerst wertvoll.

Trackliste

  1. On The Hill
  2. Soul Mercenary Blues
  3. A Dirtier Job
  4. It’s Been A Long Time, Mama
  5. The Man Who Feels Trapped
  6. Honey Don’t
  7. Dust Cloud
  8. Gone With The Girl
  9. I Dreamt Of My Dog Last Night
  10. Three Headed Demon
  11. Light Bearer Song
  12. Out Of 2012

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