Die USA haben natürlich ein anderes Verhältnis zum St. Patricks Day als Europa und hier im speziellen die Iren selbst. Da kann man es zwei jungen Männern aus einer US-Pipes & Drums Band nicht zum Vorwurf machen, wenn sie einen Plan fassen, der darauf abzielt, möglichst viel Bier für lau zu bekommen. Also starteten sie mit Kilmaine Saints ein Fass ohne Boden oder etwa eine Bierbong? Auf jeden Fall führte ihr Plan schneller zum Erfolg, als Danny und Rusty „Hallo“ sagen können. Zum Glück haben sie die Zielvorgaben schnell um gute, eigene Celtic-Songs erweitert und so ist es mir oft ein Rätsel, dass sie in Deutschland so unbekannt sind. Schließlich können die Saints auf die Veröffentlichung von vier Silberlinge zurück blicken. Und als Rich mir sagte, dass ein komplett neues, sechstes Album auf dem Weg zu mir ist, war ich schon ein wenig nervös. Schließlich haben die Saints Bomben wie „Devil´s Den“ oder „When we Come to Town“ platzen lassen. Außerdem ist 2017 für mich ein besonderes Jahr, denn viele von mir geschätzte Bands haben (untertrieben) gute Veröffentlichungen rausgehauen. Daher gibt es auch keine Pluspunkte für Dankbarkeit oder Durchschnitt mehr. Die Latte liegt einfach zu hoch.
Was habe ich bekommen? 17 Songs auf CD, sicher verpackt in einem Digipack. Das Design von Cover und Inlay ist ein eindeutiger Gewinn gegenüber früherer Veröffentlichungen. Die Lyrics, die die Saints selbst geschrieben haben, kann man im Booklet nachlesen. Hinzu kommen noch ein paar Cover und Traditionals. Mit Foggy Dew haben die Saints jetzt nicht grad etwas Außergewöhnliches gewählt, aber die entspannte Vortragsweise versöhnt. Danach kommen die anderen zwei Trads, hervorzuheben ist dabei sicherlich das Trinker/Freunde/Abschied/Überhauptlied „Mingulay Boat Song“, das in einer folkigen, aber catchy Version daher kommt -schnell, traditionell, Gitarre, Schlagwerk und ein wenig Chorus. Mehr ist nicht nötig. Es gibt auch zwei Coverversionen, wobei die Zuordnung zur „Sache“ zeigt, dass die Kilmaine Saints tief in der irisch-amerikanischen Popkultur verankert sind. Tiocfaidh Ar La eben.
„Whiskey Blues & Faded Tattoos“ ist ein druckvolles, schnelles Album auf dem die Pipes nicht zu kurz kommen. Die Saints geben ihnen genug Freiraum, um als eigenständiges Instrument zu bestehen und nicht als große, aber berechenbare Touristenattraktion daher zu kommen. Dazu kommen mitreissende Hooks, die oft in hooliganartige Chorusparts aufgehen. Alles bleibt melodisch, während das Schlagzeug die Songs zum nächsten Höhepunkt prügelt. Doch immer wieder kommt der Bruch, gipfelnd in dem Requiem „Golden Pen“. Ein Frauenchor so nüchtern wie berührend, dass man über seine eigene Beerdigung nachdenkt. So berührend, das man hofft, das es in dem Song um einen selbst geht, billigend in Kauf nehmend, dass man dafür sterben muss. Ein Song gemacht für einen Soundtrack der Coen Brüder.
Ja, die Kilmaine Saints haben jede meiner Erwartungen erfüllt und mir graust schon jetzt, wenn ich an die Jahresbestenlisten denke. Die Konkurrenz ist groß in 2017!