Amerikanischen Country und Irish Folk zu verbinden ist eigentlich eine sehr naheliegende Sache, war es doch in erster Linie der von zugewanderten Europäern importierte englische und irische Folk, der Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA die Grundlage für die sogenannte Country-Musik schuf. Das sich The Rabies aus Wuppertal jemals Gedanken über diese Zusammenhänge gemacht haben, wage ich zwar zu bezweifeln, aber ganz offensichtlich haben die 6 Musiker eine Vorliebe für amerikanischen UND irischen Folk.
Die Veröffentlichung des Debut Albums „Bad Ass Molly“ liegt inzwischen schon 6 Jahre zurück, trotzdem möchte ich dieses Album allen Folk-Rock-Fans wärmstens empfehlen. Tatsächlich habe ich selten eine in erster Linie aus Eigenkompositionen bestehendes Folk / Country CD gehört, die eine vergleichbare Qualitätsdichte vorzuweisen hat. Der hervorragende, tiefe und ausdrucksstarke Gesang hat eine regelrecht hypnotische Wirkung und schafft, untermalt durch dezente Akkordeon- und Mundharmonikaklänge, eine tolle Outlaw-Country-Atmosphäre, die immer wieder zwischen „verträumt“, „traurig“, „energisch“ und „fröhlich“ variiert. Da die beiden Sänger Karsten Fechner und Denis Wildschütz sehr ähnliche Stimmen haben, ergänzen sich die beiden gerade bei mehrstimmigen Gesangsparts perfekt und haben damit einen deutlichen Vorsprung, gegenüber vielen anderen Bands dieses Genres. Auch die altbewährte Tin Whistle weiß durchaus zu gefallen und sorgt immer wieder für viel irischen Charme. Neben der Akkustikgitarre taucht auch immer wieder eine angezerrte E-Gitarre auf, wodurch ein gewisses Punk-Feeling entsteht, das die Vielseitigkeit dieses Longplayers noch erhöht.
Der Opener und Titelsong „Bad Ass Molly“ besticht durch einen tollen Rock n´Roll Drive, einem treibenden Tempo und einer Melodie, die traurig und fröhlich zugleich klingt. Ähnliche Partykracher finden sich auf dieser CD haufenweise, allerdings verstehen es die Rabies auch mit ihren ruhigen Nummern den hohen Standart zu halten. Kaum eine andere Combo kann mich noch mit Traditionals wie „Lake Of Ponchartrain“ oder „The Foggy Dew“ hinter´m Ofen hervorlocken, weil diese Songs schon so oft gespielt wurden, dass einem zwangsweise immer ein paar Künstler einfallen, die es deutlich besser gemacht haben. Im Falle dieser beiden Evergreens werde ich zukünftig wohl immer an die Rabies denken, denn bessere Interpretationen dieser Lieder sind mir beim besten Willen nicht bekannt. Gerade „Lakes Of Ponchartrain“ sorgt bei mir immer wieder für Gänsehaut, obwohl die Melodie stark vereinfacht wurde. In diesem Fall ist weniger eindeutig mehr. Das Ramones-Prinzip hat wieder einmal gesiegt.
Über die beiden Coverversionen von „A New England“ (Billy Bragg) und „Streams Of Whiskey“ (The Pogues) kann ich leider nicht so viel gutes schreiben. Einen Song der Pogues aufzunehmen ist immer etwas gefährlich, da die Chance an das Original heranzukommen, ziemlich gering ist, erst recht, wenn man sich so stark an diesem orientiert. Mit „A New England“ sieht es noch schlechter aus, denn diese Nummer klingt sehr kraftlos, lahm und unoriginell. Da fallen mir direkt die deutlich besseren Coverversionen von Across The Border oder den Groovie Ghoulies ein. Da es auf „Bad Ass Molly“ aber keine weiteren Schwachstellen gibt, will ich auch nicht weiter darauf herumreiten. Stattdessen möchte ich lieber noch ein paar Eigenkompositionen empfehlen. Besonders genial sind das schwungvolle „Gaelic Tinkers“ und das stark an den frühen Johnny Cash erinnernde „The Lady´s Got A Heart Of Stone“. Beide Songs sind tolle Sing-A-Longs, die bei Konzerten sicherlich den Getränkeumsatz in die Höhe treiben. „The Man Who Signs The House Desposal Deeds“ hat einen seeehr abgefahrenen Text und erinnert mich irgendwie immer an Lee Majors „The Unknown Stundman“, was vielleicht einfach nur an der amerikanischen Leichtigkeit dieser Komposition liegt. Denen, die es eher verträumt und schwermütig mögen, möchte ich abschließend noch das wunderschöne „Forgotten Love“ empfehlen, ein Song, der in der Lage ist, jedes gebrochene Herz direkt noch einmal zu brechen.
Ich möchte noch erwähnen, das die Covergestaltung sehr schick und originell ist (offensichtlich bediente man sich einer alten amerikanischen Buchclub Werbung) und ganz und gar nicht genre-typisch aussieht. Aber mal ganz ehrlich, Kleeblätter, Guiness-Pints und Keltenkreuze sind doch auch wirklich mehr als abgedroschen, oder? Auch der Studiosound der Rabies hat einen ganz eigenen Charakter, da könnten sich viele Folk-Rock-Bands ein Beispiel dran nehmen. Eine zu saubere, glattgebügelte Produktion kann eben auch schnell langweilig klingen. Wer wissen will, wie man es richtig macht, sollte sich dieses vollkommen unterbewertete Album unbedingt zulegen.
Trackliste:
- Bad Ass Molly
- Lakes Of Pochartrain
- All Yesterday
- The Man Who Signs The House Disposal Deeds
- Song For The Newly Wed
- The Foggy Dew
- Gaelic Tinkers
- The Lady´s Got A Heart Of Stone
- Folsom Prison Bluers
- A New England
- Streams Of Whiskey
- Forgotten Love
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