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Whiskey in the Jar

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Sturmfest und populär wie die Cliffs of Moher an der irischen Westküste, die Nummer 1 aller irischen Lieder in der Folk- und in der Rock-Welt.  Die unwiderstehliche Verbindung von Räuberballade und Trinklied ist um die Welt gegangen. Die Ursprünge des Songs sind nicht mehr eindeutig nachzuweisen. Man kann aber davon ausgehen, dass Whiskey in the Jar bereits vor 200 Jahren weit verbreitet war. Die eigentliche Handlung hat Züge einer Ballade, Raub und Gefangenschaft waren seit urdenklichen Zeiten beliebte Themen.

„Geld oder Leben!“

Sich mittels Raubes ein Auskommen zu sichern, war über Jahrhunderte der einzige Ausweg für Verfemte, Ausgegrenzte. Im Mittelalter lebten die Vogelfreien in den ausgedehnten Wäldern. Da sie kaum eine andere Wahl hatten, bestritten sie ihren Lebensunterhalt mit bewaffneten Überfällen.
Einen anderen Status erlangten die kühnen, heroisierten Räuber, die das Leben außerhalb der Gesellschaft selbst gesucht hatten, in späterer Zeiten. In England gab es im 17. und 18. Jhdt. berittene Straßenräuber „so häufig wie Krähen“. Mit den Worten „Stand and deliver“ oder „Your money or your life“, die Pistole oder den Degen gezückt, machten die „gentlemen of the road“ Beute. Sie waren durchaus fein gekleidet, allerdings mit einem Tuch über Mund und Nase, besaßen gute Manieren und suchten ihr Ziel eher durch die Drohung als durch Gewaltanwendung zu erreichen. Soweit das populäre Bild.

Für die Opfer sah es weniger romantisch aus. Das Reisen auf den wenigen befestigten Straßen („highways“) war so riskant, dass man sich in Gruppen zusammenschloss oder eine Eskorte mietete. Postkutschen waren ein beliebtes Angriffsziel. Es erschien ratsam, dass man sein Testament abfasste, bevor man eine längere Reise antrat.

Der „normale“ Landbewohner kam während seines ganzen Lebens kaum aus dem fußläufigen Umkreis seines Geburtsortes heraus – allenfalls, wenn er zu Kriegsdiensten gepresst wurde. Wer über ein Reit- oder Kutschpferd verfügte, musste schon einiges Geld haben.

Was die Räuber in Irland besonders populär machte, war die Tatsache, dass sie der verhassten protestantischen Oberschicht die Wertgegenstände abknöpften. Sie wurden ab dem 17. Jahrhundert „Rapparees“ genannt. Ein solcher war William Brennan, der im irischen Südwesten sein Unwesen trieb. Er wurde 1804 in Cork gehängt. Die Ballade von Brennan on the Moor hält sein Andenken dank der Clancy Brothers bis heute in Erinnerung.

Wurden die Räuber gefasst, kamen sie an den Galgen. Die Gelegenheit für geschäftstüchtige Schnelldichter: Hastig aktualisierte Balladen wurden auf Handzettel („broadsheet“) gedruckt und bei der Hinrichtung der „highwaymen“mit Gewinn verkauft.

Text

Im irischen Südosten spielt sich die Handlung von Whiskey in the Jar ab: Der Ich-Erzähler reitet durchs Gebirge und trifft auf einen offiziellen Vertreter der Regierung oder der Armee. Der Räuber zückt (nacheinander) Pistolen und einen Degen und nimmt dem Captain das schöne Geld ab. Aber mal wieder ist es (wie in Black Velvet Band) ein hinterhältiges Frauenzimmer, das den Räuber verrät, so dass er in der Frühe unsanft geweckt und gefangen genommen wird. Er befreit sich dadurch, dass er einen Gefängniswärter niederschlägt. Nun macht er sich auf die Suche nach seinem Bruder, der bei der Army in Cork oder Killarney stationiert ist. Mit ihm will er das angenehme Räuberleben samt Gerstensaft und schönen Frauen beginnen. Bei Thin Lizzy (s.u.) bleibt er allerdings mit Kette und Eisenkugel dingfest gemacht in seiner Gefängniszelle sitzen.

Aus den zahllosen Varianten hier die von den Dubliners gesungene:

As I was a goin‘ over the far famed Kerry mountains
I met with captain Farrell and his money he was counting
I first produced my pistol and I then produced my rapier
Saying „Stand and deliver“ for he were a bold deceiver

Chorus:

musha ring dumma do damma da
whack for the daddy ‚o
whack for the daddy ‚o
there’s whiskey in the jar

I counted out his money and it made a pretty penny
I put it in me pocket and I took it home to Jenny
She sighed and she swore that she never would deceive me
But the devil take the women for they never can be easy

I went up to my chamber, all for to take a slumber
I dreamt of gold and jewels and for sure ‚t was no wonder
But Jenny drew me charges and she filled them up with water
Then sent for captain Farrell to be ready for the slaughter

‚T was early in the morning, just before I rose to travel
Up comes a band of footmen and likewise captain Farrell
I first produced me pistol for she stole away me rapier
I couldn’t shoot the water, so a prisoner I was taken

Now there’s some take delight in the carriages a rolling
and others take delight in the hurling and the bowling
but I take delight in the juice of the barley
and courting pretty fair maids in the morning bright and early

If anyone can aid me ‚t is my brother in the army
If I can find his station in Cork or in Killarney
And if he’ll go with me, we’ll go rovin‘ through Killkenny
And I’m sure he’ll treat me better than my own a-sporting Jenny.

Um ganz sicher zu gehen, hat das böse Weibsstück nicht nur den Degen geklaut und die Ladung aus den Pistolen entfernt, sondern sie auch noch mit Wasser unbrauchbar gemacht. Es fehlt hier die von der Logik her erforderliche Strophe, wo der Held sich selbst befreit. Wer jetzt der kühne Betrüger („deceiver“) ist, wechselt. Mal wird der Überfallene so bezeichnet, mal nennt sich der Held selbst so.

Für die Namen gibt es zahlreiche Varianten. Der Offizier heißt neben Farrell auch Everett, Nevin oder in Amerika Captain Pepper. Die verräterische Frau hört auf Jenny, Ginny oder Molly. Die Berge wurden aus „Cork and Kerry“ zu „Cook and Kerry“ oder Kilgary; die Calvert oder die Gilgara Mountains wird man auf der Landkarte ebenfalls vergeblich suchen. Es existiert auch eine Flugblatt-Fassung mit englischen Ortsangaben. Statt im Krug („jar“) gibt’s den Whiskey auch mal „in the bar“.

Wir können mal eben die Bodleian Library in Oxford aufsuchen, wo uns 30.000 Balladentexte zur Verfügung stehen. Eine Handvoll Liederblätter von Whiskey in the Jar wie dies von Johnson datieren um 1850 herum.

Vorläufer

Ein ganzes Stück älter ist die Geschichte des Iren Patrick Flemming, der bereits 1650 gehängt wurde. Einige Zeilen seines Liedes haben Ähnlichkeit mit dem späteren Text:

Patrick Flemming was a Vallient Soldier,
He carried his Blunderbuss upon his shoulder
He cockt his Pistol and drew his Rapier,
Stand and deliver for I am the taker,  fal, lal,..

(valiant – tapfer, blunderbuss – Donnerbüchse
he cocked his Pistol – er spannte den Hahn an seiner Pistole)

Oh! I have two brothers they’re both in the army
The one is at Cork and the other at Kilkenny,
If they were here both blyth and bonny,
I’d rather see them than any one dear honey.

Pubfenster in Co. Clare 2010
Refrain

Räuberballaden in der Ich-Form waren nicht ungewöhnlich, oft stellte man sich den Helden auf den Stufen des Galgen bei seinen letzten Worten vor (vgl. Sam Hall). Eigentlich also eine ernste Sache.

Der fröhliche Refrain passt nicht wirklich dazu und soll einfach nur Spaß bringen. Die sechs Klatscher (4+2) an den richtigen Stellen zu machen, ist Initiationsritus für Irish-Folk- Konzert-Gänger. Dieser Kehrvers könnte zum Zweck der Unterhaltsamkeit nachträglich eingefügt worden sein. Es gibt darin ja keinen inhaltlichen Bezug zu der Räubergeschichte. Dafür spricht, dass der Refrain in Dur steht, bei den Strophen aber eine Wendung nach Moll zu finden ist. Andererseits klingt die Melodie der Stophe, die für je zwei Zeilen gleich ist, ohne Refrain unvollständig.

Es ist versucht worden, den Silben doch noch einen Sinn zu entnehmen. Möglich wäre, dass es sich um die Verballhornung eines ursprünglich gälischen Textes handelt. Englisch-gälisch-gemischte Lieder, ‚macaronic’ genannt, waren gar nicht so selten.

„Musha“ ist ein etwas altmodischer irischer Begriff wie „also wirklich“, „so ist es“, entsprechend dem englischen Füllwort „well“. „Ring“ könnte vom gälischen „rince“ – Tanz kommen. „Whack“ heißt hauen. Hier wird doch nicht etwa der Daddy verhauen? Vielleicht ist ja gemeint: „Hau mal auf den Tresen, damit der Wirt noch einen Whiskey für Vattern rüberschiebt.“  Und nach dem Whiskey kann die Geschichte dann weiter erzählt werden.

Möglicherweise sind diese Mutmaßungen großer Quatsch. Wohl bei allen Völkern gibt es Lieder, die auf Unsinns -Silben gesungen werden. Es macht schließlich Spaß und erleichtert das gemeinsame Singen. Die Iren sind ja außerdem Meister im Lilten, d.h. Tanzmusik wurde in Ermangelung von Instrumenten mit dem dem Mund gemacht. Skiddle  -di -ai -tel -dam, diddle -ai -tel -do…
Seit Axel Hackes wunderbarem Buch„Der weiße Neger Wumbaba“ wissen wir außerdem, dass Liedertexte überhaupt nicht dazu da sind, um verstanden zu werden. Sie sollen einfach die Fantasie anregen.

Niedergang der berittenen Räuberei

Outlaws, Straßenräuber, Vogelfreie waren in vielen Ländern beliebte Helden. Über Robin Hood in England, Schinderhannes in Deutschland oder Pretty Boy Floyd in den USA  wurden verklärende Balladen gesungen. Zur Beliebtheit gehörte, dass nur die Oberschicht geschädigt wurde: „Er nahm von den Reichen und gab den Armen“. Letzteren war wohl nicht entgangen, dass der gesellschaftliche Reichtum, egal in welchem der genannten Länder, doch ziemlich ungleich verteilt war. Das Räuberleben wird in Wirklichkeit hart, gefährlich und entbehrungsreich gewesen sein und nicht unbedingt dem Gemeinwohl gedient haben.

Anfang des 19. Jahrhunderts war es mit den Überfällen in Europa so ziemlich vorbei. Der Niedergang des Räuber(un)wesens hatte mehrere Ursachen. Die Flächen wurden intensiver genutzt oder besiedelt. Befestigte Zollposten an den Straßen erschwerten das Entkommen. Die Polizei wurde systematisch ausgebaut. Die beliebten Goldmünzen wurden durch Papiergeld ersetzt. Vielleicht hat auch der Bau der Eisenbahnen damit zu tun, da sie doch etwas mühsamer zu überfallen waren.

Aufnahmen

Folk-Sammler Alan Lomax machte schon 1951 eine Dokumentationsaufnahme mit dem Piper Seamus Ennis. Als Folk-Pop-Nummer kam „Kilgary Mountain“ in den USA mit Burl Ives 1958 heraus, 1964 zogen Peter, Paul und Mary nach.

Die Dubliners machten Whiskey in the Jar zu ihrer Erkennungsmelodie. Waffen, Alkohol, Gold, eine Schwäche für zwielichtige Frauen – das passte alles prima zum „wilden“ Image. Ihre erste LP-Aufnahme damit datiert von 1967, weitere folgten.

Der zweite große Erfolg kam mit der Rock-Fassung von Thin Lizzy. Die Dubliner Folk-Rock- Band um Phil Lynnott schaltete das Tempo einen Gang runter und fügte das eingängige Gitarrenriff hinzu. Ihre Plattenfirma brachte den Song 1972 als Single heraus, was der Band überhaupt nicht passte, da er nicht typisch für ihr Repertoire war. 1973 schafften sie es auf Platz 6 der britischen Charts. Metallica, U2 und die Simple Minds haben diese Rockversion gecovert. Aktuell brachten die High Kings den Song im Februar 2011 als Single für einen wohltätigen Zweck heraus.

Video

Hier spielt Thin Lizzy – Gitarrist Eric Bell (im Metallica-Shirt und auf einem Rory Gallagher Festival), so dass man sich das berühmte Riff mal in Ruhe anschauen kann:

 

 

 

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