Wide Range rangieren nicht nur geographisch in der oberen Liga deutscher Folk-Bands.Wie beim Vorgänger Steppin Out gibt es wenig auszusetzen. Die Gruppe hat die meisten Fallen geschickt vermieden, die eine Live-CD mit sich bringt: Ansagen und Beifall, die sonst bei Wiederholungen nerven, sind auf ein Minimum reduziert. Man merkt eher an der guten Stimmung, dass die Band vor Publikum spielt. Beim Klang braucht man keine nennenswerten Abstriche zu machen. Außerdem wurde mehr Wert auf Qualität als auf Vollständigkeit gelegt. Die 12 Tracks (57 min.) sind sicher nur eine Auswahl des 2010 in Lüneburg eingespielten Programms, diese sind aber makellos. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – als solche firmiert die Gruppe – macht keine halben Sachen.Die Hamburger besitzen eine Menge Live – Erfahrung, was sich neben dem hohen spieltechnischen Standard auch in den funktionierenden Arrangements zeigt. Sie lassen keine Lücken entstehen, sorgen aber mit kaum merklichen Variationen dafür, dass der Sound sich im Stück immer wieder leicht ändert. Wide Range halten zu fünft ihre Tempi, um dann synchron einen schönen Zacken zuzulegen – ohne Schlagzeug nicht ganz einfach.
Wide Range sind Spezialisten fürs Transatlantische. Was sie anpacken, bekommt meist eine Portion Swing verpasst. So auch das einleitende Ye Jacobites, wobei ich die Live-Version bevorzugen würde. Der Irish Rover ist deutlich abwechslungsreicher als die Pogues/Dubliners-Vorlage. Kein Wunder, dass das Publikum sich wie beim Lord of the Dance zum Mitklatschen des Rhythmus animieren lässt. Auch eine Portion Humor scheint durch, so dass die Interaktion mit der Zuhörerschaft stimmt. In Jana’s Set geht’s in fast acht Minuten vom langsamen Hornpipe zum fetzigen Reel. Mit Akkordeon und Flöten neben der Fiddle sind die Melodiestimmen gut besetzt, wobei die Mandoline als doppeltes Zweitinstrument nicht unterschlagen werden soll. Der Bass spielt auf angenehm konservative Weise seine „wandernden“ Grundlinien, ohne in den Vordergrund zu drängen.
Gesanglich ist das abschließende Spancil Hill, sparsam instrumentiert, sich dann steigernd, für mich die stärkste Nummer. Bei Star of the Co. Down ist der Gesang eher dem rhythmischen Drive untergeordnet, und man könnte die Nummer abhaken, wären da nicht zwei begnadete Soloimprovisationen von Fiddle und Akkordeon. Auch live unterstreichen Wide Range, dass sie trotz sauberer Vokalharmonien und dreier Leadsänger doch stärker eine instrumentenbetonte Gruppe sind. Vier der zwölf Aufnahmensind dementsprechend Tunesets. Alles OK.
Allein die Titelauswahl hat Schwächen, da so manches stark abgenudelte Stück darunter ist. Die kommen halt gut an, ich weiß. Andererseits: wenn man ein Showstück wie den Orange Blossom Special so toll drauf hat, muss man es auch spielen dürfen. Nur – musste Molly Malone wirklich auf die Scheibe? Auch wenn ihr Tod in einem Wechsel von Dur nach Moll zelebriert wird, nicht wirklich spannend. The Days of Pearly Spencer – bei youtube zu sehen – wäre mir lieber gewesen. Auch auf die Gefahr hin, dass sich nur eine Minderheit an diese schöne Folkpopnummer aus den Siebzigern erinnert.
Die Infos zur CD sind sparsam ausgefallen, die Titel sind schließlich bekannt. Es sind aber alle Tunes einzeln vermerkt. Danke. :-)
Für die Konzertbesucher ein hübsches Souvenir, für alle anderen eine Einladung, sich mit der Band mal einen wirklich unterhaltsamen Abend zu machen.
Trackliste
- Ye Jacobites
- The Irish Rover
- Paddy’s Green Shamrock Shore
- The Monaghan Jig / Drowsy Maggie / Morning Dew
- Lord of the Dance / Sailor’s Hornpipe
- Glinn Cottage / Jer O’Connell’s
- The Star of the County Down
- Molly Malone
- Jana’s Set: Murphy’s Hornpipe / The Musical Priest /
Dowd’s Favourite / Masons’s Apron - The Ballad of St. Anne’s Reel
- Ragtime Annie / Orange Blossom Special
- Spancil Hill
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