Im November des letzten Jahres veröffentlichte die seit 1997 fünfköpfige Formation Los Stompers aus Barcelona ihr nunmehr viertes Album „animal, vegetable, miserable“. Als Erstrezipient ihrer Musik ist ihre stilistische Selbstverortung „post-irish“ wenig hilfreich, erschließt sich aber, insbesondere wegen der begrifflichen Weite und umfangreicher Konnotation, problemlos beim Hören.
„Post-irish“ als Ausblick in die Gefilde des weitverbreiteten und allgemein beliebten Folkrock, Speedfolk oder dergleichen? Die CD eröffnet mit bei zuvor Genannten typischen E-Gitarren-Riffs, der sich ein voluminöser Bass anschließt und kulminiert letztlich nahtlos in ein beinahe volksliedhaftes Akkordeonspiel. Wohlgefällig schleicht sich der durchgängig bewundernswert astreine Gesang ein, der von gesplitteten Mandolinenakkorden umspielt wird. Schon beim ersten Lied überraschen Los Stompers ihre Zuhörer mit unerwarteten Akkordmodulationen.
Die zwingende Auflösung eines Motivs in einem Durakkord endet nicht selten in einer fließenden Mollbewegung, die sich en passant wieder zum Dur spielt. Dazwischen gibt es dann immer wieder Melodieteile, in denen Mandoline, Geige und Akkordeon unisono spielen und es muss wohl intendiert sein, dass die Stimmung der Instrumente insbesondere in traditionell wirkenden Zwischenteilen minimal divergiert. Unscheinbar kunstvoll – wie auch der folgende Rest.
Schon der zweite Titel der CD wartet mit einer weiteren spielerischen Raffinesse auf. So gehen zwei eigenständigen Motiven quodlibethaft ineinander über, dass sich dem Hörer der Eindruck vermittelt wird, dies geschähe notwendigerweise nebenbei. Die vielfältigen Instrumente (Gitarren, Bässe, Banjo, Mandoline, Ukulele, Geige, Akkordeon, Percussion und Schlagzeug) umspielen einander auffällig unauffällig, wenn man sich zu einem dezidierten Hören animieren lässt.
Der Titel „Gazpacho Man“ überrascht mit einmaligem Gesang in Spanisch. Echauffiert wirft eine Sprecherstimme an einigen Stellen ein: „Speak English! I can‘t understand!“ und gibt dem Nicht-Spanier ein Veto, das gutgemeint, aber nicht notwendig und in seiner Würze erfrischend unseriös ist. Bewusst falsch ertönt der mehrstimmige Gesang, karikiert und dechiffriert den traditionellen Folk. Dennoch überrascht das Männerquintett auch hier mit spannenden Dur-Moll-Wechseln.
An anderer Stelle erinnern Gesang und Instrumentation an den einmaligen Soundtrack von „o brother where art thou“. Hier ertönt ein zackiger Skasound, der kurz darauf vom Wohlklang einer behäbigen Tuba konterkariert wird. So finden sich wohlfeile Melancholismen wie „Put Your Hands in Mine“, aber auch triefende Schunkelrhythmen auf diesem Silberling nebeneinander.
Mein Favorit „Sleepers“ ist Ausdruck dieses Facettenreichtums. Das Stück wird von historische anmutenden Lautenklang eröffnet, wird dann (zum ersten Mal auf der CD) temporeich und schleicht sich mit seinem Refrain „You’ll be allright. Sleep tight tonight!“ en passant in die Köpfe der Zuhörer ein.
Insgesamt verdient dieses Album das Prädikat „ausgezeichnet“. Warum nur drängte sich dieser Eindruck beim ersten Hören nicht auf? Viele lustige, technisch virtuose Ideen sind einfach zu nebenbei umgesetzt. An einigen Stellen wirkt das Album eher poppig als folkig, aber was heißt schon „post-irish“? Gibt man dem Album eine Chance, den ersten – vielleicht etwas schal wirkenden – Eindruck zu untergraben, wird der Hörer sich in einem musikalischen Museum voller Normalitäten und Absonderlichkeiten manigfalter Musikstile wiederfinden, sodass letztlich die Frage nach dem „post-irish“ eigentlich keinerlei Relevanz mehr hat.
Trackliste
- Noah’s Ark
- Evel Knievel
- Unwind
- Gazpacho Man
- Swanning ‘Round
- Sleepers
- Yesterday’s Light
- Celia
- Eureka
- Put your Hands in Mine
- Hooley in the Kitchen
- His Master’s Voice
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