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Sambre ~ Na solombra (2009)

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Es gibt Alben, die sind geradezu selbsterklärend, Cover, Musik und Texte sind lediglich Varianten eines Grundthemas.

Der Fan eines Genres oder einer bestimmten Band ist wünscht sich natürlich genau dieses, der Rezensent ist nun gezwungen seinerseits neue Worte für das Immergleiche zu finden, anstatt in unbekannte Gefilde eintauchen zu dürfen.

Das erste Album von Sambre: „Na solombra“ verspricht auf Anhieb ungewöhnliches:

Südliches  Ambiente auf dem Coverfoto und rätselhafte Orthographie im Booklet (man spielt z.B. „baxu“) werfen die Frage nach der Herkunft der Band auf.

Immerhin gibt es Ähnlichkeiten mit dem einst rudimentär erworbenen Spanisch und so fällt der erste Verdacht auf Mexiko. Dieser wird jedoch sofort durch den Titel „Asturian U.S.“, sowie einer Danksagung an eine asturische Kulturbehörde als Trugschluss entlarvt.

Der Finger zieht nun auf dem Globus nach Osten und hält im Norden Spaniens an.

Wir befinden uns im autonomen Fürstentum Asturien.

Aber keine Angst, nach gezierten fürstlichen Bällen klingt „Na solombra“ nicht, Sambre sind rau und bodenständig.

Doch bevor wir uns der Hauptsache, der Musik, zuwenden, gönnen wir uns doch einen kleinen landeskundlichen Exkurs. Da sich die sechs jungen Männer stark mit ihrer Heimat identifizieren , wird er uns helfen die Band besser zu verstehen.

Im Laufe  der Jahrhunderte gingen von Asturien immer wieder Entwicklungen aus, die schließlich ganz Spanien betrafen, bzw. dessen Entstehung erst ermöglichten.

Die Nation wurzelt  in der Reconquista, der allmählichen Befreiung der iberischen Halbinsel von den muslimischen Mauren, die wiederum mit christlichen Aufständen im 8. Jhd. in Asturien begann.

Begünstigt durch Kohle- und Erzvorkommen wird die Region, neben dem Baskenland, einige Jahrhunderte später zum Ausgangspunkt der industriellen Revolution in Spanien.

Wie in ganz Europa bildet sich eine starke kommunistisch orientierte Arbeiterbewegung, die noch vor dem spanischen Bürgerkrieg (1936- 39) in blutige Kämpfe mit dem faschistischen General Franco verstrickt ist.

Gegen Ende des 20. Jhd. setzte auch in Asturien ein Strukturwandel ein, der den Niedergang der Schwerindustrie bedeutete. Seitdem ist die wirtschaftliche Situation dort schwierig.

Sambres Lieder handeln alle vom alltäglichen Leben im heutigen Asturien: Mal persönlicher wie in „Alcordanza“, das von Einsamkeit und Sehnsucht erzählt, mal sehr politisch, wie in „Fumu y carbón“, welches mit deutlichen Worten die Globalisierung als Ursache der Probleme ausmacht. Es wird vom Zorn in den Herzen gesungen, dass man „Scheiße als Freiheit“ verkauft bekommen hätte.

Konsequenterweise beschreiben Sambre ihre Heimat auch in ihrer Sprache, dem Asturischen, welche sich parallel zum Kastilisch (dem „offiziellen“ Spanisch) entwickelte und kein Dialekt ist. Trotz diverser grammatikalischer und orthographischer Unterschiede, gibt es ausreichend Verwandtschaft, sodass man mit dem Spanisch- Lexikon, einem Mini- Asturisch- Wörterbuch im Internet, Geduld und etwas Freude am Detektivspiel die Texte  entschlüsseln kann.

Ganz unverstellt und wesentlich vertrauter begegnet uns Sambres Musik, wobei auch die nicht frei von Überraschungen ist. Ihr Fundament bildet die Rockband mit zwei Gitarren, jedoch erweitert um einen Dudelsack. Je nach Song bringen Gastmusiker ihre Instrumente, wie z.B. Violine, verschiedene Flöten oder Percussives, zu Gehör und erweitern den Sound dadurch erheblich. So schwankt die Platte zwischen einfach gehaltenen rauen Rocksongs und  traditioneller instrumentierten Stücken.

Mögen die Grundstrukturen wenig innovativ wirken, langweilig ist das Album sicher nicht. Die sechs jungen Männer gestalten ihre Lieder mit viel Freude und Hingabe.

Es gibt lange instrumentale Passagen, die jedem Mitspieler genügend Raum bieten sich auszuleben oder ein Thema vorzustellen.

„Pol albor de la cayia“ ist ein gutes Beispiel, dessen Intro macht ein Viertel des Songs aus. Über vier verzerrte Akkorde spielt erst die Sologitarre, dann eine Geige und schließlich kommt der Dudelsack hinzu, ein energischer Break setzt einen weiteren Akzent. Mit „Entemediu“ gibt es sogar ein Stück ganz ohne Gesang, welches das forsch marschierende Schlagzeug vorantreibt.

Prägnant und fröhlich pfeift der Dudelsack in „Pirata nel Piles“,  „Fios d`Asturies“ oder „Traversáu pelos chigres“, drei Songs, die mit dem Blasinstrument und punkige Riffs an die Real McKenzies erinnern, ohne dadurch an Eigenständigkeit zu verlieren. Der Vergleich mit den Kanadiern trifft auch inhaltlich, geht es in den genannten Liedern doch um die Kneipe, um die Kumpels und –natürlich- das Trinken.

Im Grunde besitzt jedes Stück seine Eigenart, sei es der AC/DC mäßige Rocker „Fumu y Carbón“ (in dem leider eine Schwachstelle der Band offenbar wird: ausgerechnet der Drummer vermag es nicht das Energielevel der anderen zu erreichen) oder das Titelstück „Na solombra“ welches mit coolen Stakkato- Gitarren beginnt, um dann mit Geigen und Pfeifen im Schlepptau Richtung Funk zu steuern.

Wirkliche Abwechslung gäbe es nicht, wenn es ausschließlich krawallig zur Sache ginge. Für die zarteren Ohren hat man sich beispielsweise das von einer akkustischen Gitarre getragene „Cantar d´amor“ ausgedacht. Bei allem Gebrüll  haben die Jungs doch einen weichen Kern. Für „Pol albor de la cayia“, einer romantischen Meditation im Morgengrauen, ließ man sich vom asturischen Dichter und Philosophen Manuel Asur inspirieren.

Überhaupt sind die Texte, im Gegensatz zur Musik, wenig kämpferisch, eher melancholisch bis sentimental. Sei es in der Klage über die schwierige wirtschaftliche Lage oder im Ausdruck der Gefühle für die Heimat (ironischerweise besonders in „Asturian U.S.“ -dem einzigen englischen Lied- welches von nach Amerika emigrierten erzählt, die diesen Schritt, vom Heimweh geplagt, bereuen).

Letztendlich erweist sich die Sprachbarriere in Sambres Falle als vorteilhaft. Wenn einem die intensive Bindung zu Asturien fehlt, wirkt der klagende Unterton auf dauer strapaziös. So kann man aber die positive Kraft der Musik unverstellt genießen.

Das ist vielleicht etwas einseitig, dennoch ja kennen wir die Anliegen dieser Gruppe und wollen einmal abwarten was sie mit diesem Album erleben wird. Vielleicht hat das nächste einen fröhlicheren Ton und wir hätten auch weiterhin etwas Neues zu entdecken.

Trackliste

  1. hestories del pasau
  2. pirata nel piles
  3. fumu y carbon
  4. na solombra
  5. cantar d’amor
  6. asturian U.S.
  7. pol albor de la cayia
  8. fios d’Asturies
  9. aleordanza
  10. entemediu
  11. travesau pelos chigres

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